Von Wassergeburt bis Wasserleiche

Verein zeigt eine Ausstellung über 200 Jahre Berliner Badekultur – Ziel ist ein eigenes Museum

  • Steffi Bey
  • Lesedauer: 3 Min.
Blick von der Galerie ins Stadtbad Steglitz
Blick von der Galerie ins Stadtbad Steglitz

Im stillgelegten Stadtbad Steglitz wird jetzt wieder gebadet – allerdings nur symbolisch. Der Verein zur Förderung des H2o-Museums zeigt in dem Jugenstilambiente die Ausstellung Stadt-Bad-Fluss. Es ist eine Schau über 200 Jahre Berliner Bade- und Wasserkultur.

Die Kulisse passt perfekt: Das Schwimmbecken, die Duschen und Umkleidekabinen, ja sogar das kleine Separee, in dem einst eine Kassiererin saß, werden selbst Teil der Ausstellung. Ein paar Stufen hinab, umringt von hellblauen Fliesen, wo früher Gäste ihre Bahnen zogen, stehen jetzt zwei große Strandkörbe. Wer will, lässt sich auf den stabilen Stoff fallen, lehnt sich zurück und genießt den Blick auf das herrliche Rondell. Mehrere Text- und Bildtafeln hängen am Beckenrand und zeigen eine Auswahl an Stadt- und Strandbädern der Hauptstadt.

Richtig spannend wird es in den alten Umkleidekabinen, die sich beidseitig um das leere Becken gruppieren. Gedämpftes Licht schimmert aus den 24 winzigen Kabuffs, in denen der Besucher eine kleine Zeitreise machen kann. Hinter jedem Quadratmeter verbirgt sich ein Stück Geschichte: Der Bade-Rückblick beginnt mit dem Welperschen Badeschiff, das 1803 auf der Spree ankerte und als erstes Luxusbad Europas galt.

Unter der Überschrift »Getarntes Baden« stehen in der Nachbarkabine Schränke und Sessel, die auf den ersten Blick wirklich nicht als Badmöbel zu erkennen waren. Themen wie die Wasserversorgung, Wannen- und Badehäuser sowie das Baden im Dritten Reich werden dargestellt. Amüsiert studieren ein paar junge Mädchen den »Zwickelerlass von 1932«: Frauen durften damals keinen Bikini tragen und bei Männern waren kurze Badehosen verboten.

Auch über das Schwimmen in der Nachkriegszeit, Unterschiede zwischen Ost und West, Badsanierungen in den 70er und 80er Jahren gibt es umfangreiches Material und Ausstellungsstücke. Selbst in den Duschen können die Besucher in breiten Sesseln Platz nehmen und sich Dokumentarfilme über das Wasser anschauen.

Zusammengetragen und aufbereitet haben die sieben Vereinsmitglieder in den vergangenen eineinhalb Jahren die umfangreiche Ausstellung. Es ist ihre erste öffentliche Präsentation. »Wir wollen auf uns und unser langfristiges Ziel aufmerksam machen«, betont Vereinsvorsitzender Michael Hofmann. So soll in Berlin ein H2o-Museum entstehen: Ein Bereich, in dem das Wasser in all seinen Facetten präsentiert wird. »Von der Wassergeburt bis zur Wasserleiche, vom ›Blauen Gold‹ als Wirtschafts-, Politik- und Kriegsfaktor bis hin zu Kunst, Medien und Religion«, erklärt der Vereinschef. Das Konzept für das bislang »weltweit einmalige Wassermuseum« gebe es bereits, nur ein geeigneter, zentraler Standort fehle noch. Hofmann hofft, durch die aktuelle Ausstellung im Stadtbad, weitere Sponsoren zu finden, die ebenfalls möchten, dass das Thema Wasser stärker im Bewusstsein der Gesellschaft verankert wird.

Die Berliner Bäder Betriebe sowie einige Sanitär- und Kosmetikhersteller stellten für die Schau Leihgaben zur Verfügung: Dazu gehört die Dittmannsche Wellenbadschaukel, die 1900 in Berlin erfunden wurde. Ähnlich modernen Wannen, allerdings abgerundeter mit einem Handgriff über dem Kopf, konnten sich die Badenden darin liegend selbst Wellen schaukeln.

Bis 5. April im Stadtbad Steglitz, Bergstraße 90. Do. 12 - 20 Uhr, Fr. -So. 10 - 18 Uhr. Eintritt 4 Euro, ermäßigt 2 Euro. Führungen können unter Telefon: 56829653 gebucht werden. Infos im Netz unter: www.h2o-museum.de oder www.stadtbad-steglitz.de

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