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Vier Männer und eine Stadt
Am Sonntag ist Bürgermeisterwahl in Fürstenwalde
26 990 Wahlberechtigte sind am Sonntag aufgerufen, den neuen Bürgermeister von Fürstenwalde zu wählen. Manfred Reim (FDP) tritt nach 20 Jahren im Amt aus Altersgründen ab. Die vier Kandidaten sind Stephan Wende (LINKE) und Jürgen Teichmann (CDU) sowie die beiden Einzelkandidaten Ulrich Hengst und Reinhard Ksink.
Jürgen Teichmann möchte als »Fürstenwalder Urgestein« punkten. 17 Jahre ist er schon Vorsteher der Stadtverordnetenversammlung. Der liberale Glasermeister Reinhard Ksink ist in Fürstenwalde ein bekannter Mann. Er ist ein erfahrener Kommunalpolitiker und will frischen Wind bringen. Mit Courage stürzt er sich in den Wahlkampf, obwohl ihm die ungeteilte Unterstützung seiner eigenen Partei fehlt. Ksink verwendete für seine Plakate lediglich die Farben der FDP.
Die eigene Partei spricht sich aber für den parteilosen Ulrich Hengst aus, der seit 16 Jahren Erster Beigeordneter des Bürgermeisters ist. Hengst wird auch von der SPD unterstützt, argumentiert aber im Wahlkampf damit, dass seine Parteiunabhängigkeit es ermöglichen werde, als Bürgermeister Mehrheiten zu gewinnen. Auf das Angebot, offizieller Kandidat der FDP zu werden, habe er verzichtet. Wenn man ihn wähle, hätten die Bürger die Gewähr, dass »der erfolgreiche Kurs der letzten zwei Jahrzehnte fortgesetzt wird«, sagte Hengst.
Die Alternative ist Stephan Wende, Fraktionsvorsitzender der LINKEN im Stadtparlament. Seine Genossen sind dort mit 11 von 33 Stadtverordneten stärkste Kraft. »Anders.Besser.Wende«, steht auf seinem Plakat. Bei unzähligen Straßenaktionen und Veranstaltungen im Wahlcafé in der Mühlenstraße werben Wende und seine Mitstreiter dafür, die Zukunft zu wählen. Es gibt Bürger, die halten den wissenschaftlichen Mitarbeiter von Lothar Bisky mit seinen 34 Jahren für zu jung fürs Bürgermeisteramt. Andere sehen gerade in dem noch jungen Alter eine Chance. Wende, der seit Jahren Vorsitzender des Stadtentwicklungsausschusses und Mitglied des Kreistages ist, will den Stillstand der Stadt beenden, Schieflagen im Haushalt anpacken. Für ihn ist das soziale Image einer Stadt entscheidend. Er ist dagegen, »sich sklavisch an Fördermittel zu binden«, die Stadt weiter zu verschulden. »Statt dessen sollte das Schulessen kostenlos sein«, sagt er. Weil die Menschen woanders bessere Zukunftschancen sehen, sei die Einwohnerzahl seit zwei Jahren rückläufig. Diesem demografischen Wandel will Wende entgegenwirken – als Bürgermeister zum Anfassen, im Dialog mit den Leuten vor Ort. »Die Menschen sind die Stadt. Sie leisten sich mit ihren Steuern einen Bürgermeister und nicht umgekehrt.«
Bürgermeister Manfred Reim hält bei vier Kandidaten eine Stichwahl für sehr wahrscheinlich. Um bereits in der ersten Runde als Sieger aus der Wahl hervorzugehen, müsste der Gewinner mehr als die Hälfte der abgegebenen Stimmen auf sich vereinigen. Und mehr als 15 Prozent der Wahlberechtigten müssten den Weg zum Wahllokal gegangen sein. Das sind zirka 4050 Bürger. Dem entgegen steht teilweise großes Desinteresse und Unentschlossenheit. Am 14. März wäre der Tag der Stichwahl.
Auch hier gelten die Bedingungen der ersten Wahlrunde. Sollten dann allerdings nicht mehr genügend Bürger zur Wahl gehen, entscheidet die Stadtverordnetenversammlung über einen Bürgermeister, der dann mit einer Ausschreibung gesucht wird.
Im 17. und 18. Jahrhundert hätten alle vier Kandidaten nebeneinander Bürgermeister werden können. Wie es damals in Fürstenwalde war, darüber sprach Stephan Wende kürzlich mit Historiker Florian Wilke an einem Kaffeenachmittag im Wahlcafé. Damals war es üblich, dass jeweils vier auf Lebenszeit bestimmte Bürgermeister die Stadt gemeinsam regierten – immer zwei amtierende und zwei ruhende. Nur bei wirklich schwerwiegenden Entscheidungen wurden die ruhenden Bürgermeister ins Amt gerufen. Zur so genannten »Ratsversatzung« immer am 6. Januar wurde dann getauscht für die nächsten zwölf Monate. Der Kurfürst persönlich spendierte zu diesem Anlass regelmäßig Wild aus der Fürstenwalder Heide.
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