Schwerstarbeit für ein paar Dollar
Rikschafahrer in der kambodschanischen Hauptstadt Phnom Penh kämpfen ums Überleben
Früher waren es die Taxifahrer, die ihm das Leben schwer machten. Sie nahmen ihm nicht nur die Kunden, sondern keilten seine Rikscha im Verkehrsgewühl ein, behinderten ihn aber auch auf den Boulevards von Phnom Penh. Heute muss sich Mok Saray überdies gegen die wachsende Konkurrenz der Motorradtaxis erwehren, die schneller ans Ziel kommen und preisgünstiger sind. Damit nicht genug: Seit einigen Jahren sind Tuk-Tuks aufgetaucht, Motorräder mit Aufbauten, auf denen vier bis fünf Fahrgäste sitzen können, was die Einnahmen erhöht.
Mok Saray ist 53 Jahre alt, vier Jahre unter der durchschnittlichen Lebenserwartung eines Kambodschaners. Doch Mok sieht aus wie ein 70-Jähriger. Sein wettergegerbtes Gesicht ist von tiefen Furchen durchzogen, seine Beine sind dünn und sehnig, seine Arme mit Sonnenflecken übersät. Wenn er fast lautlos mit seiner Rikscha angeradelt kommt, die hier Cyclo genannt wird, scheint es, als tauche er aus einer längst vergangenen Zeit in den ohrenbetäubenden Lärm der Hauptstadt Kambodschas ein.
Mok Saray, der hinter dem Fahrgast auf einem hohen Sattel sitzt, ist ein armer Mann. Seine fünfköpfige Familie kann er nur ernähren, wenn er 12 bis 14 Stunden in die Pedalen tritt. Oft stundenlang vergebens, weil junge, wendige Motorradfahrer ihm die Kunden vor der Nase wegschnappen. Mok kommt auf höchstens zwei Dollar am Tag – das absolute Überlebensminimum. Dabei kann er sich noch glücklich schätzen, nach der Arbeit in sein bescheidenes Heim zurückzukehren, denn viele seiner Kollegen verbringen die Nacht in oder unter ihrem Gefährt.
Meistens sind es Touristen, die in einem Anflug von Nostalgie die Rikscha besteigen und sich wundern, wenn Mok ein paar Riel mehr verlangt als die Konkurrenz. Das ist sein gutes Recht und üblich in Phnom Penh, weil Muskelarbeit nun einmal – relativ – besser bezahlt wird als Motorkraft. Dennoch reicht es nur knapp für den Lebensunterhalt. An neue Kleidung ist nicht zu denken.
Mok Saray schmunzelt, als er erzählt, dass vor zehn Jahren der Bürgermeister von Phnom Penh den Rikschafahrern ein gepflegteres Erscheinungsbild verordnen wollte. Alle Fahrer sollten mit Hut, kakifarbenem Hemd und dunkelblauen Shorts bekleidet sein. Der Erlass des auf Ordnung bedachten Stadtoberhauptes war von kurzer Dauer. Wer von den Rikschafahrern in Phnom Penh kann sich bei einem Tagesverdienst von wenigen Dollar ein neues Hemd leisten? Auch wer arm ist, ist um Sauberkeit bemüht, und wenn das Hemd auch löchrig geworden ist in all den harten Jahren – schmutzig ist es nicht.
Und so kutschiert Mok Saray außer den Touristen, die sich nach dem Einsteigen erst einmal ausgiebig ablichten lassen, zumeist betagte Frauen, denen man es ansieht, dass sie aus gutem Haus stammen. Gelegentlich greifen die Damen in ihre kunstvoll geflochtenen Taschen, um einen ebenso kunstvoll gearbeiteten Fächer hervorzuholen, mit dem sie sich Kühlung verschaffen. Es ist heiß in Phnom Penh, die Temperaturen steigen noch am frühen Nachmittag auf 35 bis 36 Grad.
Aber nicht nur die Hitze plagt die Menschen. Ständig zunehmender Straßenverkehr wirbelt braunen Staub auf, gegen den Smog schützen sich Fahrer und oft auch Gäste mit einem Mundschutz. Wäre das dramatisch steigende Verkehrsaufkommen ein Zeichen für ebensolches wirtschaftliches Wachstum, Phnom Penh müsste eine blühende Stadt sein. Doch davon ist die Millionenstadt weit entfernt. Die vielen Landcruiser, die das Stadtbild inzwischen prägen und so gar nicht zu dem gelegentlich noch sichtbaren kolonialen Ambiente passen, gehören meist ausländischen Hilfsorganisationen. Zu Hunderten sind sie in Kambodscha tätig, und da sie auch in den ländlichen Gebieten zu tun haben, fahren sie wenig umweltfreundliche Gefährte. Viele von ihnen wollen auch nur Eindruck schinden, wenn sie abends am Flussufer des Tonle Sap den Boulevard entlang kurven.
Die Rikschas können im Handumdrehen in Gefährte verwandelt werden, die erstaunliche Lasten transportieren. Dann verschwindet der Fahrer hinter riesigen Ballen mit Baumwolle, Reis oder Bananenbündeln und steuert sein Fahrzeug behutsam durch die Straßen. In den vergangenen Jahren ist die Anzahl der Rikschas jedoch Zug um Zug gesunken. Gab es vor zehn Jahren noch rund 11 000, so mögen es jetzt noch knapp 3000 sein. Die genaue Zahl kennen nicht einmal die Verkehrsbehörden, denen die gemütlichen Gefährte wegen der steigenden Unfallziffern in der Innenstadt ein Dorn im Auge sind.
Immerhin gibt es seit einigen Jahren eine Organisation, die sich, wenn auch auf niedrigem Niveau, um die Belange der Rikschafahrer kümmert. »The Cyclo Center« bietet ihnen nicht nur einen kostenlosen Haarschnitt, sondern auch Soforthilfe bei Krankheiten, deren Behandlung sie sonst nicht finanzieren könnten. Wer will, kann an Englischkursen teilnehmen oder sich über grundlegende Menschenrechte informieren lassen. Aber auch das »Cyclo Center« wird nicht verhindern können, dass die Rikschas allmählich aus dem Stadtbild verschwinden. Es wird noch einige Jahre dauern, dann wird Phnom Penh erneut ein Stück ärmer geworden sein.
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