Nicht verraten, nicht verkauft

Eine Hommage für Mikis Theodorakis beendete in der Volksbühne das Festival Musik und Politik

  • Olaf Brühl
  • Lesedauer: 3 Min.

Am letzten Abend des Festivals Musik und Politik luden die Veranstalter zu einer Hommage für Mikis Theodorakis ein, der in diesem Sommer 85 Jahre alt wird und das Festival lange mitgeprägt hat. Ein guter und bewährter Ort dafür: die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz. Petra Schwarz moderierte am Sonnabend die Auftritte von über 20 griechischen und deutschen Mitwirkenden, die alle irgendwann und irgendwie mit Theodorakis zu tun gehabt haben. Das Auditorium war prall gefüllt, die Mehrheit ältere Theodorakis-Fans, aber auch junge, und nicht nur Griechen – diese sangen und klatschten rhythmisch mit. Als das über vierstündige Marathon-Konzert endete, gab es sogar Standing Ovations.

Der Reichtum der Musik von Theodorakis scheint unverwüstlich. Ob von der Neuen Musik betrachtet, vom Jazz, der Klassik, vom Pop oder Chanson – sie erweist sich in jeder Hinsicht als inspirierend und vital. Seit Jahrzehnten, unbeirrt von Moden und Trends, ist Theodorakis mit seinem Werk weltweit präsent.

Zwischen den sinfonischen Arbeiten und oratorischen Zyklen stehen zweifellos seine Lieder im Zentrum: ob Liebes- oder Widerstandslieder, die meisten sind beides in einem – wie sollte man das auch trennen wollen?

Viele der Stücke reihen ihn unter jenen größten Komponisten ein, deren Melodien wirklich – im besten möglichen Sinne – volkstümlich werden konnten. Nichts anderes, das ist aus jedem seiner Takte zu hören, hat ihm mehr am Herzen gelegen. Musik für die Völker, für die Schwachen, für die, die leben wollen und sich nicht unterkriegen lassen – ob die Mauthausen-Lieder, der Canto General oder Film- und Theaterkompositionen.

So bot das Konzert viele Facetten des Theodorakis-Universums. Nach drei vibratoreichen Chansons mit Gina Pietsch, vielleicht nicht jedermanns Geschmack, brillierte der Kölner Nick Nikitakis auf der Bouzouki. Seine Variation auf Theodorakis' Musik  ist ein hochexplosiver Stoff, versetzt mit swingendem Jazz: »Rebetobluz« – hinreißend! Danach verblüffte Rainer Kirchmann, Ex-Mitglied von »Pankow«, in seiner Rock-Version eines Theodorakis-Zyklus mit jugendlicher Stimmvirtuosität. Dass Theodorakis sich auch gegenüber elektronischer Musik bewährt, bewies der Klang-Ingenieur jayrope auf eindringliche Weise – auch wenn Besinnlichkeit und Lyrik den Vorrang an diesem Abend hatten.

Der Dresdner Peter Zacher hat sich große Verdienste mit seinen Bemühungen um Aufführungen von Werken Theodorakis' in der DDR erworben. Er erinnerte daran, dass auch nach der Abkehr des Sängers und Komponisten von der Kommunistischen Partei viele denkwürdige Theodorakis-Aufführungen in der DDR stattgefunden haben – darunter nicht wenige Ur- und Erstaufführungen. So etwa die Siebente Sinfonie unter der Leitung von Herbert Kegel, von der auch eine exzellente Einspielung existiert.

Jannis Zotos und Band entfachten in dem Theatersaal eine Art musikalische Ekstase. Auf seine durch und durch überzeugende Weise, gelang das nicht minder Kostas Papanastasiou. Rainer Rohloff brachte eigene, mitreißende Bearbeitungen von Theodorakis-Liedern für Sologitarre zu Gehör. Vielleicht ein Höhepunkt war der Gesang vom verratenen Ausbruch eines KZ-Häftlings, der nur nach Hause, nur – wie alle – leben wollte. Gerhard Schöne: wie immer klar, leicht, behutsam. Barbara Kellerbauer berührte vor allem mit einem A-cappella-Gesang auf eine Theodorakis-Nachdichtung von Rainer Kunze.

Als am Ende Petras Pandis – Sänger-Mitstreiter von Theodorakis – mit Jannis Zotos und seinen großartigen Musikern auftrat, ging noch einmal dieser nicht zu vergleichende Schwung von der Bühne aus, diese musikalische Leidenschaft, die sich gleichsam an der Liebe für politische Ideale und der Schönheit Griechenlands zu entzünden scheint. Pandis' ungebrochene Kraft verwandelte den Saal nach Mitternacht schon mit dem ersten Ton und der ersten unmissverständlichen Geste in ein begeistertes Amphitheater. Fast so, als wäre von den Zukunfts-Hoffnungen der 70er Jahre nichts verraten, verkauft und vergessen. Kunst hat immer mit Politik zu tun – ob sie es weiß oder nicht.

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