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Der sozialistische Schutzheilige der Händler
Wirtschaftsminister Christoffers beharrt bei der Berliner Industrie- und Handelskammer auf Mindestlohn
Die Frage nach dem Stasi-Fall in der mit Wirtschaftsförderung befassten Zukunftsagentur Brandenburg kommt zuverlässig. Sie wird nicht sofort gestellt, aber gegen Ende des gestrigen Frühstückstermins bei der Berliner Industrie- und Handelskammer.
Fremdsprachentalent Hermann Häber kümmerte sich in der Zukunftsagentur bislang um die Auslandskontakte. Er beherrscht unter anderem Japanisch. In dem fernöstlichen Staat arbeitete er einst als Diplomat für die DDR – und als Offizier im besonderen Einsatz des Ministeriums für Staatssicherheit. Eine echte Neuigkeit ist das nicht. Häbers Name steht in einer bereits 1991 veröffentlichten Liste der Offiziere im besonderen Einsatz. Aber angesichts der Stasi-Fälle in der Landtagsfraktion der LINKEN werden alte Geschichten ausgegraben.
Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (LINKE) rechnete mit der Erkundigung nach Häber. Der Mann sei vorerst beurlaubt, die Angelegenheit werde geprüft. Zu bedenken sei, dass der Vater – Herbert Häber gehörte zeitweise dem SED-Politbüro an – von der Staatssicherheit nicht nur beobachtet, sondern dass er auch in die Psychiatrie gesteckt worden sei. Unter einen generellen Verdacht will Christoffers die Zukunftsagentur nicht stellen. Von einer Durchleuchtung aller Mitarbeiter hält er nichts. Es ärgert Christoffers, dass die ganz oder teilweise verschwiegenen Biografien in der Linksfraktion dazu führten, dass in den ersten 100 Tagen der rot-roten Regierung der Blick kaum auf die Arbeit der Minister gerichtet war.
Er hofft, dass dies nun bald anders wird. Es gibt viel zu tun und zu berichten. Der Minister spricht von einer Konfliktliste, die in seinem Ressort abgearbeitet werde. Ganz oben stehe die Energiepolitik. Ausführlich geht Christoffers auf die Zusammenarbeit mit der Hauptstadt ein, denn deswegen lud ihn die Berliner IHK schließlich ein. Der Wirtschaftsminister weiß von den Chancen gemeinsamer Bemühungen um Investoren, kennt jedoch auch die Konkurrenzsituationen.
Beispiel Airport Schönefeld und speziell die Internationale Luft- und Raumfahrtausstellung (ILA): Wegen des Großflughafenbaus muss für die ILA 2012 ein neues Gelände in der Nähe der Startbahnen her. Ins Auge gefasst ist ein Areal, das nach Ansicht von Christoffers aber nicht nutzlos daliegen soll, wenn gerade keine ILA stattfindet. Doch die Berliner Messe fürchte, dass ihr eine Konkurrenz erwachse, heißt es. Vielleicht ist dies der Knackpunkt bei den Verhandlungen und gar nicht die Summe, die Berlin und Brandenburg in Baumaßnahmen stecken müssten? Christoffers will das erst verraten, wenn das Problem gelöst ist. Dass der Leipziger Flughafen oder ein anderer Airport die Luftfahrtschau wegschnappen könnte, glaubt er nicht. Weder Sachsen noch ein anderes Bundesland seien in der Lage, einfach so 30 oder 40 Millionen Euro auszugeben, um die ILA abzuwerben.
An eine baldige Fusion von Berlin und Brandenburg, die sich die Unternehmer wünschen, glaubt der Wirtschaftsminister nicht. So sehr ihm der Gedanke persönlich gefalle, es fehle die Akzeptanz bei den Bürgern. Die Zusammenarbeit könnte jedoch enger sein. Christoffers fehlt es nicht an Ideen. Aus der höchsten Wissenschaftlerdichte in Deutschland müsste sich mehr machen lassen, glaubt er und bastelt mit dem Berliner Wirtschaftssenator Harald Wolf (LINKE) an einer Innovationsstrategie für die Region. Die Brandenburger haben ihre Vorschläge in Berlin abgegeben und da werden sie derzeit geprüft, heißt es.
Ein öffentlich geförderter Beschäftigungssektor und ein Vergabegesetz, das die Zahlung von mindestens 7,50 Euro Stundenlohn zur Bedingung für die Vergabe staatlicher Aufträge macht, das schmeckt den meisten Unternehmern nicht. Doch in Berlin und Brandenburg müssen sie sich damit abfinden. Wer arbeitet, müsse von seinem Gehalt auch leben können, verlangt der Minister. Der Mindestlohn sei wichtig für den sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft und die Koalition sei bereit, ihn durchzufechten. Der beabsichtigte Kontrollmechanismus sei übrigens unbürokratisch. Es genüge, die Bescheinigungen der Sozialversicherung vorzulegen.
Die Fachkräfte werden knapp, obwohl es weiter viele Arbeitslose gibt, prophezeit der Wirtschaftsminister. Auf das Jammern über den drohenden Mangel – die Zahl von 275 000 Fachkräften steht im Raum – entgegnet Christoffers, es liege auch am Einkommen. Darüber müsse offen geredet werden, denn darum verlassen qualifizierte Menschen die Region, weil sie anderswo mehr verdienen können. Die Europäische Union eröffnet indes Möglichkeiten. Die Handwerkskammer Cottbus soll sich um die Ausbildung polnischer Jugendlicher bemühen. Die jungen Polen sollen auch Deutsch lernen.
Zunächst lächelten einige Unternehmer etwas geringschätzig, als ihnen Christoffers am Montagmorgen vorgestellt wurde. Nicht weil er einst den handfesten Beruf eines Schiffbauers erlernte, sondern weil er das Diplom eines Gesellschaftswissenschaftlers an der SED-Parteihochschule erwarb, was den Damen und Herren in der Westberliner Fasanenstraße komisch erscheint. Doch Christoffers lässt sich niemals beirren, ist stets im Bilde, schüttelt die Fakten aus dem Ärmel, weiß immer Beispiele, ist um eine Antwort nie verlegen. Christophorus sei der Schutzheilige der Händler, sagt der Moderator der Diskussion und scherzt, vom Namen her sei Wirtschaftsminister Christoffers also die richtige Wahl.
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