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Rotes Haltesignal für den Panzerzug
Einmalig umfängliche Ortsgeschichte von Fredersdorf-Vogelsdorf vorgestellt
»Wir verlangen Bollensdorf zurück«, scherzte Bürgermeister Uwe Klett (LINKE) und schlug dabei eine Seite in dem dicken roten Wälzer auf. Schließlich habe Bollensdorf bis 1927 zu Fredersdorf-Vogelsdorf (Märkisch-Oderland) gehört, lese er hier. Am Mittwoch stellte Klett im Rathaus eine fast tausend Seiten zählende Ortsgeschichte für die Jahre 1835 bis 1933 vor. Neun Jahre Arbeit steckten Ortschronist Manfred Kliem und seine Mitstreiter in die Publikation.
Die umfangreichen Recherchen haben sich gelohnt. Kliem glaubt nun zum Beispiel nachweisen zu können, dass der einst so erfolgreiche Opernkomponist Giacomo Meyerbeer 1791 tatsächlich in Vogelsdorf zur Welt kam und nicht in Tasdorf, wie verschiedentlich in der Literatur zu lesen sei.
Vor Jahren war bereits eine Chronik erschienen, die in der Zeit um 1200 ansetzte. Ein dritter Band für die Jahre 1933 bis 1949 liegt schon als Manuskript vor. Von einer Villa in der Fredersdorfer Rubensstraße 26 aus habe der sowjetische Marschall Schukow 1945 die Schlacht um Berlin befehligt, gab Kliem eine Kostprobe. Die Ausgabe werde die Erinnerungen der damaligen Eigentümerin enthalten, die inzwischen allerdings verstorben sei.
Für das gestern vorgelegte Buch zahlte die Gemeinde einen Druckkostenzuschuss von 13 803 Euro. Der abschließende vierte Band soll sich dann mit den Geschehnissen der Jahre 1949 bis 2000 beschäftigen. Dieser Band wird vom ehrlichen Mittun beim Aufbau der DDR erzählen, aber auch von Fehlern und Wirrungen, sagte Klett. Insgesamt handele sich um die umfänglichste Ortsgeschichte einer Kommune im Land Brandenburg, betonte der Bürgermeister. Nicht einmal Potsdam könne etwas derartiges vorweisen, bestätigte der promovierte Historiker Kliem, der 1969 nach Fredersdorf kam, um sich dort eine Datsche zu bauen.
Fredersdorf und Vogelsdorf zählten 1831 zusammen nur etwa 300 Einwohner, 1933 waren es schon 4350. Einen Anteil daran hatte die Bohm'sche Fabrik, gegründet 1831 von dem Mühlenbaumeister Carl Gottlob Bohm. Jener wurde in seiner Studienzeit am Berliner Gewerbeinstitut dem nachher so erfolgreichen Fabrikanten August Borsig als Vorbild hingestellt. Borsig hatte seine Mühe mit Berechnungen.
Zunächst kümmerte sich Carl Gottlob Bohm in einer eigenen Mühle darum, den Bauern das Korn zu mahlen. Daneben nahm er Aufträge für den Bau von Mühlen an und begann mit der Herstellung von Maschinen. Die Fabrik spezialisierte sich auf Anlagen für Brennereien, die Kartoffelschnaps machten. 1916 wurde auf Kriegsproduktion umgestellt. Die Fabrik war nun Zulieferer für Berliner Munitionsfabriken. 1933 entließ Otto Bohm seinen Prokuristen Richard Windpfennig. Möglicherweise gab es dafür auch einen politischen Hintergrund. Bohm gehörte der NSDAP an und Ingenieur Windpfennig stand wahrscheinlich der Deutschen Demokratischen Partei nahe. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Fabrikanlagen demontiert und als Reparationsleistungen in die Sowjetunion gebracht.
Nachdem Fredersdorf 1872 eine Bahnstation erhalten hatte, entwickelte es sich zu einer Art Schlafstadt für Menschen, die nach Berlin zur Arbeit pendelten. Am 16. März 1920 veranlasste Bahnhofsvorsteher Robert Pfennig ein rotes Haltesignal. Er stoppte auf diese Weise einen aus Küstrin kommenden Panzerzug, der den Kapp-Putschisten in Berlin zum Erfolg verhelfen sollte. Es fielen Schüsse. Der Zug musste umkehren. Der Putsch scheiterte.
Noch heute fahren viele der jetzt 12 500 Einwohner mit der S-Bahn zur Arbeit in die Hauptstadt. Aber Bürgermeister Klett macht es umgekehrt. Er wohnt in Berlin.
Manfred Kliem: »Ortsgeschichte Fredersdorf-Vogelsdorf 1835 bis 1933«, Verlag Dakapo Pressebüro, 922 Seiten (gebunden), 25,50 Euro, ND-Bestellservice, Tel.: (030) 29 78 17 77
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