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  • Kalenderblatt

Paul Mühsam

  • MartinStolzenau
  • Lesedauer: 2 Min.

1990 wurde in Görlitz eine Straße nach Paul Mühsam benannt. Er stand stets im Schatten seines Cousins Erich Mühsam. Erst in jüngster Zeit wächst das Leserinteresse an ihn, dessen Roman »Ich bin ein Mensch gewesen« die Literaturwissenschaft zu den »großen Erinnerungsbüchern des 20. Jahrhunderts« zählt.

1876 in Brandenburg geboren, absolvierte er in Chemnitz das Humanistische Gymnasium und schlug auf Wunsch der Eltern zunächst einmal die juristische Laufbahn ein. Er studierte in München sowie Berlin, promovierte 1900 in Freiburg i.Br und ließ sich fünf Jahre darauf als Anwalt in Görlitz nieder. Parallel widmete er sich immer wieder seinem Hobby Literatur. In der politischen Orientierung trennten ihn von Erich Mühsam Welten. Während Paul Mühsam während des Ersten Weltkrieges noch pflichtbewusst beim Roten Kreuz wirkte, entwickelte sich sein Cousin schon zum Revolutionspoeten. Angesichts der Kriegsfolgen wurde allerdings auch der Jurist gesellschaftskritischer. Zur ersten ethisch-pazifistischen Prosa gesellten sich nach seinem Eintritt in die internationale Künstlervereinigung »Porza« auch Übersetzungen fremdsprachiger Literatur. Als früher Höhepunkt gelten seine »Sonette der Einsamkeit« und seine philosophischen Überlegungen »Der Sinn des Lebens«.

Den Nazis war der jüdische Anwalt und überzeugte Pazifist ein Dorn im Auge. Er musste in den frühen 30er Jahren in Görlitz manche Hetzattacke erleiden. Nach Hitlers Machtantritt kulminierte die Verfolgung. Paul Mühsam wurde die Anwaltserlaubnis entzogen, seine Bücher wurden verbrannt. Mit seiner Frau und seinen drei Töchtern emigrierte er nach Palästina. Dort hoffte er auf einen Neubeginn. Doch die erzwungene Emigration lähmte seine Schaffenskraft weitaus mehr als befürchtet. Der Flüchtling sprach kein Hebräisch und erhielt keine neue Anwaltslizenz. Er schlug sich mit Hilfsarbeiten durch. Erst nach dem Krieg schrieb er wieder – in deutscher Sprache und hatte kaum ein Echo. Nur wenige Kollegen wussten um seine erzählerische Reife. Paul Mühsam starb am 11. März 1960 in Jerusalem, ohne seine Heimat wiedergesehen zu haben. Vor vier Jahren entriss eine Biografie von Gernot Wolfram ihn dem Vergessen: »Paul Mühsam. Der Widerstand der Wörter«.

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