Migranten als Brückenbauer
Ein Projekt in NRW fördert Lehrkräfte mit Zuwanderergeschichte und setzt auf deren Vorbildwirkung
Gütersloh. Für die Jugendlichen gehört er inzwischen einfach dazu. »Sie sind doch Deutscher«, ruft ein Schüler verwundert dazwischen, als Cem Özel in der Wirtschaftsklasse der Höheren Handelsschule vor der Presse von seinem »Migrationshintergrund« erzählt. Tatsächlich sieht man dem 35-Jährigen, der ein lockeres Hemd und Blue-Jeans trägt, seine ausländischen Wurzeln kaum an. Aber Özels Eltern stammen aus Izmir in der Türkei – und der Sohn der Zuwanderer ist seit Februar frisch gekürter Studienrat am Reinhard-Mohn-Berufskolleg in Gütersloh. »Es ist mir wichtig, für Schüler mit ausländischem Hintergrund ein Vorbild zu sein«, sagt er.
Als er als Referendar am Berufskolleg anfing, war er für viele Schülerinnen und Schüler noch ein Exot. Studienrat Özel ist unter den 85 Pädagogen am Gütersloher Berufskolleg einer von drei Lehrkräften mit Migrationshintergrund, der einzige mit türkischen Wurzeln. Doch mehr als ein Viertel der Schüler stammen aus zugewanderten Familien.
Dieses Verhältnis spiegelt die allgemeine Lage an deutschen Schulen wieder. »In Nordrhein-Westfalen haben rund 30 Prozent der Schüler eine Zuwanderungsgeschichte, aber nur knapp ein Prozent der Lehrer«, erklärt Antonietta Zeoli, Landeskoordinatorin des nordrhein-westfälischen Projektes »Lehrkräfte mit Zuwanderungsgeschichte«.
Aus mehr als 15 Nationen
Ziel des Projektes ist es, die Lehrer mit Migrationshintergrund zu organisieren und mit ihnen bei Schülern mit Zuwanderungsgeschichte für das Lehrerstudium zu werben. Die Leitidee lautet: »Ich habe es geschafft – Du kannst es auch.« Denn Studien zeigen, dass es Schüler motiviert und zu ihrer Integration beiträgt, wenn ihre Lehrer ähnliche Erfahrungen gemacht haben wie sie.
»Lehrkräfte mit Zuwanderungsgeschichte übernehmen auch eine Mittlerfunktion«, sagt die NRW-Schulministerin Barbara Sommer (CDU). »Sie können Brücken bauen zwischen Schülern, Eltern und Schule.« Inzwischen sind über 350 Lehrer aus mehr als 15 Nationen mit ausländischen Wurzeln in dem Netzwerk organisiert. Sie lehren an Gymnasien und Gesamtschulen, an Berufskollegs und Hauptschulen. Welche Bedeutung Lehrer als Vorbilder für Kinder und Jugendliche haben, hat Seyhan Özden bereits während ihrer Kindheit in der Türkei gespürt. »Ich habe meine erste Lehrerin angehimmelt, denn sie war für mich die Tür zur Welt der Weisheit«, erinnert sie sich. Jetzt ist Özden, die mit 16 Jahren nach Deutschland kam, selbst Lehrerin – und ihr größter Wunsch ist es, »die Schülerinnen und Schüler zu inspirieren, wie ich damals inspiriert worden bin«.
Zeichen gegen Vorurteile
Cem Özel hat erst bei der Sparkasse Paderborn gearbeitet, bevor er sich entschloss, Lehrer zu werden. In seiner Klasse der Höheren Handelsschule gibt es insgesamt neun Nationen. Die Schüler stammen aus der Türkei, Bosnien, Kosovo, Italien oder sind russischer Herkunft. Im Unterricht fällt das wenig auf, die Schüler sprechen alle gut deutsch.
»Ich finde es positiv, dass wir einen Lehrer mit Migrationshintergrund haben«, sagt der 17-jährige Lars Kampworth, ein Schüler mit deutschen Wurzeln. Die 16-jährige Melike mit türkischer Zuwanderungsgeschichte, trägt Kopftuch und sagt, dass es »schon etwas besonders ist, wenn Ausländer so erfolgreich sind«. Mit solchen Lehrern könne man auch ein Zeichen gegen Vorurteile setzen. Überhaupt scheinen sich die Schüler insgesamt einig zu sein: Özel, so sagen sie, sei »das beste Beispiel für gelungene Integration«.
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