Tabubruch auf Israels Tischen

Immer mehr Kochbücher preisen Gerichte mit »koscherem Schwein«

  • Ulrich Sahm, Jerusalem
  • Lesedauer: 3 Min.

Eli Landau, israelischer Kardiologe und bekannter Koch, hat erstmals ein hebräisches Kochbuch veröffentlicht, das allein dem Schwein gewidmet ist. Eigentlich – so könnte man meinen – ist das eine ziemliche Schweinerei. Denn das Borstentier ist frommen Juden sowie Moslems eine Abscheu. Genauso käme ein Germane kaum auf die Idee, auf der Speisekarte eines deutschen Restaurants ein Rossfilet zu suchen. »Pferdefleisch ist in Deutschland verpönt, weil es als Arme-Leute-Essen galt«, sagt Frau Dohrmann, Inhaberin einer Pferdemetzgerei in Bremen. Anders als in Frankreich oder Italien entwickelte sich unter deutschen Christen eine religiös motivierte Aversion gegen Pferdefleisch. Der Autor Anton Freithofnig aus dem österreichischen Moosburg (»Kochen mit Pferdefleisch«) hat die Kulturgeschichte erforscht. Einerseits sei das Pferd ein »heiliges Tier« gewesen. Andererseits entstand eine Abscheu gegen den Verzehr seines Fleisches infolge der Kriege, als hungernde Menschen gezwungen war, Pferdefleisch zu essen.

Christen in Mitteleuropa pflegen also aus religiösen und ethischen Gründen bis heute ähnliche »Speisegesetze« wie Moslems oder Juden. Unter den 613 Geboten und Verboten in der Tora wird das Schwein als »unkoscher« bezeichnet. Wer »gottesfürchtig« ist, rührt es nicht an. »Weißes Fleisch« ist jedoch in Israel beliebter, als manche denken. In Tel Aviv muss man suchen, wenn man koscher essen will. Denn die meisten Juden halten sich nicht an die biblischen Gesetze, wie etwa das Verbot, am Sabbat kein »Feuer« zu machen und deshalb kein Auto zu fahren. Neben Schweinefleisch verbieten die Koscher-Gesetze u.a. auch ein Vermischen von Fleisch und Milch.

Eli Landau sagt, mit seinem Kochbuch »Das Weißbuch« zum ersten Mal in der Geschichte Israels ein Buch »von Deckel zu Deckel nur mit Schwein« gefüllt zu haben. Landau sagt, »allein typische Rezepte für das Land Israel« entwickelt und keine Vorlagen aus Osteuropa oder Asien kopiert zu haben. Den eigentlichen »Tabubruch«, jüdischen Israelis Schwein aufzutischen, vollbrachte schon in den siebziger Jahren der Schriftsteller Amos Keinan mit seinem »Buch der Gelüste«. Der aus Buchara stammende und in Taiwan ausgebildete Chefkoch Israel Aharoni institutionalisierte den Tabubruch mit »Chinesische Küche«. Unter dem Titel stand selbstverständlich »koscher«. Doch dazu gab es einen separaten Band, worin er Rezepte zu Spareribs (Schweinerippchen), Kalamari und Shrimps lieferte. Aharoni revolutionierte Israels Küche. Seitdem wagen auch andere Autoren, ihre Kochbücher in zwei Ausgaben zu veröffentlichen. So wurde Madhur Jaffreys »Indische Küche« in einer koscheren Ausgabe mit vegetarischem Milchersatz für »fleischige« Speisen veröffentlicht. Gleichzeitig gab es eine nicht-koschere Ausgabe mit Originalrezepten, die kein Rabbi durchgehen lassen würde.

Christen im Heiligen Land haben immer schon Schweine gezüchtet und ihr Fleisch verkauft. In Israel produziert seit 1959 Kibbuz Mizraa Schweinefleisch und vermarktet es landesweit in unkoscheren Supermärkten. Mosche Tajar von Kibbuz Lahav, wo ebenfalls Schweine gezüchtet werden, erklärte: »Wir betreiben ein offizielles Forschungsinstitut zum Testen von Medikamenten. Per Gerichtsurteil dürfen wir für die Tests ungeeignete Schweine zu Wurst verarbeiten.« Denn laut israelischem Gesetz dürfen ansonsten Schweine nur in »christlichen Gegenden« gezüchtet werden. Seit der Masseneinwanderung sowjetischer Juden 1990 sind Supermärkte mit unkoscheren Fleischprodukten nicht mehr wegzudenken. Sogar Blutwurst vom Schwein findet man dort: für fromme Juden wohl die abscheulichste aller Kombinationen.

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