Dreiste Dilettanten auf der Flucht

Rund 242 000 Euro erbeuteten die Täter beim Überfall auf das Pokerturnier

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.

»Die Chancen stehen nicht schlecht.« Berlins Polizeipräsident Dieter Glietsch war gestern im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses guter Hoffnung, den spektakulären Raubüberfall auf das Pokerturnier im Grand Hyatt Hotel am Potsdamer Platz vom vergangenen Sonnabend schnell aufzuklären. Der Optimismus des Polizeichefs begründet sich vor allem auf das viele Video- und Fotomaterial, das diverse Kameras während und nach dem Überfall von den Tätern gemacht haben. Offenbar gibt es darunter auch Bilder, auf denen ein Räuber unvermummt zu sehen ist. Überdies ist auf einigen Fotos zu erkennen, dass einer der Räuber keine Handschuhe trug.

Nach Angaben des Veranstalters der »European Poker Tour« erbeuteten die Täter insgesamt 242 000 Euro. Nur durch den beherzten Eingriff eines Praktikanten des Hotels sei nicht noch mehr Geld geklaut worden, erläuterte gestern Polizeipräsident Dieter Glietsch. Er schilderte den Abgeordneten noch mal den genauen Tathergang.

Demnach drangen vier vermummte Räuber gegen 14.10 Uhr am Sonnabend in das Hotel Grand Hyatt am Potsdamer Platz über einen Notausgang ein. Sie waren mit Handfeuerwaffen bewaffnet, einer trug eine Machete. Zielgerichtet stürmten sie in den 1. Stock des Gebäudes, wo an einem improvisierten Tisch die Startgelder für das europaweite Pokerturnier entgegengenommen wurden. Am Sonnabend betrug das Startgeld pro Spieler bis zu 10 000 Euro. Aufgrund dessen lagen am Startplatz insgesamt 691 000 Euro.

Dafür, dass die Täter einen Komplizen im Hotel hatten, sprechen insbesondere der perfekt gewählte Zeitpunkt für den Überfall und die Ortskenntnis. Denn die Täter schlugen genau zu dem Zeitpunkt zu, in dem die Startgelder von Mitarbeitern gezählt wurden, bevor sie in einen anderen Safe transferiert werden sollten.

Die Diebe riefen laut Glietsch bei der Tat »unverständliche Worte«. Die Beute steckten sie in ihre eigenen Taschen und eine vor Ort aufgefundene Notebook-Tasche. Auf der Flucht aus dem Hotel gerieten die Maskierten allerdings erneut in Konflikt mit den Security-Mitarbeitern. Diese hatten zunächst versucht, die Räuber mit Eisenpfosten in Schach zu halten. Aber angesichts der Machete und der Schusswaffen den Widerstand eingestellt.

Beim Herausrennen gelang es jedoch einem Sicherheitsmann, einen der dreisten Diebe in den Schwitzkasten zu nehmen, wobei dessen Schusswaffe zu Boden fiel. Erst als ein Komplize des Festgehaltenen mit der Machete auf ihn einschlug, ließ der Security-Guard los. »Glücklicherweise«, so der Polizeipräsident, »wurde der Sicherheitsmann bei diesem Gerangel mit der Machetenspitze nur leicht an der Nase verletzt.« Im Laufe dieses Tohuwabohu gelang es allerdings einem Praktikanten des Hotels, sich die Laptop-Tasche zu schnappen, in der sich ein Großteil der Beute befand. Ob der heldenhafte Praktikant für seinen Einsatz eine Belohnung erhält, war gestern unklar. Aus Sicherheitsgründen wollte das Hotel-Management keine Angaben zum Hintergrund des Praktikanten machen.

Den Räubern gelang trotz dieser Scharmützel die Flucht, zunächst durch eine Einkaufspassage, dann angeblich in einem schwarzen Mercedes. Während der Blitzaktion des Räuber-Quartetts war im Ballsaal, wo die Pokerspieler versammelt waren, Panik ausgebrochen. Im Internet sind Bilder von der Live-Übertragung des Turniers zu sehen, auf denen Pokerspieler schreiend das Weite suchen oder sich hinter Spieltischen verschanzen. Laut Glietsch wurden insgesamt sieben Personen in dem Chaos leicht verletzt. Das Turnier war trotz des Überfalls am Wochenende nach einer Unterbrechung fortgesetzt worden.

An Spekulationen über die Täter wollte sich die Polizeipressestelle gestern nicht beteiligen. »Wir werten Spuren aus, sichten die Videos und befragen Zeugen«, erklärte ein Sprecher der Berliner Polizei gegenüber ND. Zudem werde DNA-Material überprüft, das sich an der Laptop-Tasche befunden habe. Die Polizei versucht jetzt, das Material zuzuordnen und hofft auf einen Treffer in ihren Datenbanken. Die Deutsche Polizeigewerkschaft im Beamtenbund (DPolG) sprach indes von amateurhaftem Vorgehen der Täter »in einer neuen Dimension«. Die dreisten Dilettanten befanden sich dennoch gestern weiter auf der Flucht.

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