Innovation made in Neukölln

Stadtteilmütter sind Preisträger des bundesweiten Wettbewerbs »365 Orte im Land der Ideen«

  • Nissrine Messaoudi
  • Lesedauer: 3 Min.

Schick sehen sie aus, die roten Schals, zu den vorwiegend dunklen Haaren der Neuköllner Stadtteilmütter. Der rote Schal sowie eine rote Umhängetasche sind ihr Markenzeichen, auf das sie auch am Montag, bei der Preisverleihung zum bundesweit ausgetragenen Innovationswettbewerb »365 Orte im Land der Ideen« nicht verzichten wollten. Damit ist Neukölln Teil der größten Veranstaltungsreihe Deutschlands, die von der Deutschen Bank und der Standortinitiative »Deutschland – Land der Ideen« unter der Schirmherrschaft von Bundespräsident Horst Köhler durchgeführt wird.

»Berlin und seine Politiker schmücken sich gerne mit den Stadtteilmüttern, denn sie sind eine Erfolgsgeschichte, die weit über den Bezirk hinaus geht«, sagte Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky bei der Preisübergabe. Insgesamt wurde die Initiative, die vom Diakonischen Werk Neukölln-Oberspree 2004 ins Leben gerufen wurde, acht Mal ausgezeichnet. »Das zeugt von hoher Anerkennung für die schwere Arbeit, die die Frauen leisten«, so Buschkowsky.

Bisher wurden rund 200 Frauen zu Stadtteilmüttern ausgebildet, davon sind derzeit noch 100 im Einsatz. Arbeitslose Neuköllnerinnen, vorwiegend aus dem arabischen und türkischen Raum, werden sechs Monate lang ausgebildet zu Themen der Erziehung, Gesundheit und Bildung. Dann ziehen sie mit Informationsmaterial und rotem Schal los und suchen Kontakt zu anderen Familien der Community im Bezirk. Nicht immer funktioniert das reibungslos. »Einigen ist es schon passiert, dass sie vor verschlossener Tür standen und von der Familie nicht herein- gelassen worden«, weiß Samira Kasab, die seit 2006 Stadtteilmutter ist. Vermittelt wurde sie vom Jobcenter. Für die sechsfache Mutter, die ursprünglich aus Libanon stammt, ist es ihr erster Job überhaupt. »Das ist ein gutes Gefühl. Mit sechs Kindern hatte ich nie die Möglichkeit, zu arbeiten. Jetzt macht es mir viel Spaß«, erklärte Kasab. Unterstützt wird sie dabei von der ganzen Familie. »Mein Mann arbeitet in einem Jugendzentrum und meine sechs Jungs sind im Alter von 12 bis 24 und kennen viele Leute in Neukölln. Sie geben mir Adressen und Namen von Familien, denen ich helfen soll.«

Stadtteilmütter besuchen nach der ersten Kontaktaufnahme eine Familie bis zu zehn Mal. Neben mitgebrachten Informationsmaterialien werden von Mutter zu Mutter Erfahrungen ausgetauscht. »Ich erzähle ihnen, wie wichtig eine ausgewogene Ernährung ist oder wie wichtig es ist, die Sprache zu lernen und die schulischen Leistungen der Kinder zu fördern.«

Der überwiegende Teil der Frauen ist im Rahmen einer Beschäftigungsmaßnahme des Arbeitsamtes tätig. Ein kleiner Teil arbeitet auf Honorarbasis. Schnell entwickelte die bunte Truppe – mit und ohne Kopftuch –, die sich längst auch privat angefreundet hat, ein Interesse an vielen Themen, die sich nicht nur um Kindererziehung drehen. So lernen Stadtteilmütter seit 2006 in Kooperation mit »Aktion Sühnezeichen Friedensdienste« mehr über die Geschichte des Nationalsozialismus.

»Wir haben selbst darum gebeten, weil wir mehr über die Geschichte unserer neuen Heimat lernen wollen und weil wir die Fragen unserer Kinder zu diesem Thema besser beantworten wollten«, erklärte Nuriye Saynan. Die zierliche Frau mit Kopftuch arbeitet nun selbst am Projekt mit. Meist stoße das Interesse und Engagement der Migrantinnen allerdings auf Verblüffung, denn oft werden diese Frauen unterschätzt. »Immer wieder werde ich gefragt, was mein Mann dazu sagt, dass ich nicht da bin, um zu kochen. Denen erkläre ich erst mal, dass mein Mann mich unterstützt und wir beide die Verantwortung für die Familie tragen.«

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