Der Trick mit dem Schlagloch
Thüringer LINKE kritisiert Sponsorensuche als Ablenkungsmanöver eines CDU-Politikers, der wiedergewählt werden will
Anfrage aus Texas
In den letzten Tagen hat Niederzimmern Schlagzeilen gemacht, nachdem Ortsbürgermeister Christoph Schmidt-Rose (CDU) im Internet bekannt geben ließ, dass die Gemeinde die zahlreichen Schlaglöcher in der örtlichen Vieselbacher Straße an Private veräußern wolle (ND berichtete). »Die Gemeinde Niederzimmern verkauft Ihnen zum Preis von 50 Euro ein Schlagloch! Das geteerte Schlagloch erhält eine Messingplakette mit Ihrem Namen«, heißt es in einem Internetauftritt unter www.niederzimmern.de, der auch die Bankverbindung der Gemeindekasse nennt.
Um auch ausländische Geldgeber anzulocken, erscheint der Aufruf auch in englischer Sprache: »Buy your personal pothole!« Unter der Parole »Teer muss her – We need Tar« können sich Interessenten aus einer Serie von Fotos ihr persönliches Schlagloch aussuchen. Er habe sogar eine Anfrage vom britschen Sender BBC erhalten, erklärte Schmidt-Rose stolz.
Auch der Thüringer Innenminister Peter Michael Huber (CDU) will die Aktion unterstützen. Nach Angaben der Gemeindeverwaltung sind bis Dienstag bereits 54 Spenden à 50 Euro eingegangen. Auch Interessenten aus Texas, Polen und Russland hätten sich gemeldet.
Der ehrenamtliche Bürgermeister hatte seine »lustige Idee« nach eigenen Angaben bei einer privaten Feier eigentlich als »kleinen Scherz« ausgebrütet. Er zeigte sich von dem Medienecho und dem Interesse von Sponsoren aus dem In- und Ausland überwältigt. Die Spender könnten sich »quasi als Besitzer eines Schlaglochs fühlen«, bekämen allerdings keine Verfügungsgewalt über die ausgebesserte Stelle, versichert der CDU-Mann.
Weniger lustig findet indes die Linksfraktion im Thüringer Landtag den PR-Gag des Kommunalpolitikers, der bei der anstehenden Bürgermeisterwahl im Juni 2010 wiedergewählt werden möchte. »Gerade nach diesem strengen Winter stehen die Schlaglöcher in den Gemeindestraßen exemplarisch für die Haushaltslöcher der Kommunen«, erklärte der kommunalpolitische Sprecher der Fraktion, Frank Kuschel. Dass viele Gemeinden kaum Geld für Reparaturen zur Verfügung hätten, liege aber nicht in der Verantwortung der Kommunalpolitiker, sondern der Landespolitik.
Bereits seit Jahren fehle den Kommunen das notwendige Geld für die Instandhaltung der kommunalen Infrastruktur, so Kuschel. Allein im Freistaat müssten die Gemeinden, Städte und Landkreise hierfür eigentlich rund 1,5 Milliarden Euro pro Jahr investieren. Seit Jahren liege die Investitionsquote aber unter 50 Prozent des notwendigen Volumens. Diese »unterlassene Werterhaltung« sei nicht immer so sichtbar wie Schlaglöcher. So bekomme man etwa das Bröckeln von Leitungen in der Erde nicht zu sehen, erklärte der LINKE-Politiker.
Kassenwart in Erfurt
Kuschel bewertete das öffentlichkeitswirksame Vorgehen von Schmidt-Rose als wenig hilfreich. Schließlich sei der Christdemokrat im Hauptberuf Leiter des Haushaltsreferats im Thüringer Innenministerium und damit auch für die Kommunalfinanzen zuständig. Es sei »höchst unanständig, wenn Herr Schmidt-Rose innerhalb der Landesregierung für die prekäre Situation der Kommunen mitverantwortlich ist und mit der Schlagloch-Aktion von seinem eigenen Agieren auf Landesebene abzulenken versucht«, so Kuschel über den PR-Gag um die Schlaglöcher von Niederzimmern.
Die Thüringer LINKE kritisiert, dass den Kommunen des Landes in diesem Jahr allein »durch politisch fahrlässige Entscheidungen« der Landesregierung zum Kommunalen Finanzausgleich 888 Millionen Euro vorenthalten würden. Kuschel möchte nun mit einer Kleinen Anfrage an die Thüringer Landesregierung zur Finanzsituation der Gemeinde Niederzimmern das Thema im Landtag auf die Tagesordnung setzen.
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