Durchschüsse und Einsichten
Die Galerie der Berliner Graphikpresse konfrontiert Roenspieß und Hagen
Zwei Künstler lässt die Galerie der Berliner Graphikpresse in einer Ausstellung zusammentreffen, die auf den ersten Blick wenig Gemeinsames haben: den ganz seiner glühend intensiven Farbigkeit hingegebenen, sich in ihr beinah verlierenden Maler Klaus Roenspieß und die eher spröde ihr Material auf Abstand haltende Plastikerin Sylvia Hagen.
Mit 23 Positionen vom großen Format bis zur Miniatur ist Roenspieß’ Ölmalerei vertreten. Ein Vierteljahrhundert seines Schaffens umgreifen sie und machen Entwicklungen sichtbar. Etwa die des 1935 Geborenen von der Berliner Schule und einer düsteren Fast-Monochromie hin zu ganz eigener Farbabstufung und – etwa im Fall des Hochformats »Am Meer« von 2008 – geradezu lichter Freundlichkeit. Roenspieß malt den Menschen in der Natur oder dem, was in der Stadt von ihr geblieben, von ihr zu entdecken ist. Denn Stadtlandschaften sind es meist, an denen sich sein schöpfender Geist entzündet. Da ist »Danziger Straße«, mit einem gelben Himmel über blauem Haus, Bäume auf der anderen Seite der Fahrbahn, alles dynamisch geballt, kraftvoll. Da ist das Großformat »Kollwitzstraße am Abend«, mit kahlen Bäumen, in deren Schwarz helle Flecken wie Laternen gaukeln, ein atmosphärischer Einblick in Rosa, Blau, Violett, wie so häufig mit zwei schattenhaften Spaziergängern. Und da sind »Kollwitzstraße (Winter)«, mit roter Kirche, einem Spalier aus Stämmen, wieder den zwei Flaneuren, und »Rykestraße II«, gelbe Häuser mit Schießschartenfenstern, grüne Bäume vor knalligem Dunkelviolett unter rosa Gewölk, schwimmend auf blauem Himmel.
Wolkenturbulenzen ballen sich auch auf den Öl-Miniaturen, über einem Feldweg oder Flachhausdächern, stimmungsbewegt, lebendig. Die »Platanen der Kollwitzstraße IV«, wieder größer, bilden einen Wald aus ockerfarbenen Stämmen im Mittelgrund, mehrere Personen streben vorwärts. Beinah maurisches Ambiente mit der Bogenarchitektur der S-Bahn-Trasse und sich türmenden Formen gibt »Berliner Abend I« wieder. Darin liegt einer der Reize von Roenspieß’ Darstellungen: Sie zielen nicht auf den urbanen Wiedererkennungseffekt; vielmehr halten sie mit bisweilen expressionistischer Verve den Moment fest, wie einzig der Maler ihn sieht. Das zwingt den Betrachter zum Vergleich mit der eigenen Wahrnehmung jenes Fleckens Berlin.
Auf eine klare Form mag sich auch die Treuenbrietzenerin Sylvia Hagen des Jahrgangs 1947 nicht festlegen. Ihre 15 Skulpturen aus Eisen, Bronze oder Terrakotta überstreichen einen Zeitraum von 13 Jahren. Was sie bei aller unterschiedlicher Thematik eint, ist das jeweils porös und sichtbar gefügte Material, sind die aufgerissenen Körper mit ihren Durchschüssen und Einsichten in ein Darunter. Nirgendwo täuscht polierte Oberfläche Ganzheit vor, wo doch alles in Bewegung, Veränderung ist.
Bis 19.3., Galerie der Berliner Graphikpresse, Gabelsbergerstr. 6, Friedrichshain, Tel.: 42 01 24 40
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.