Kunst in Übergröße

Die Ausstellung »Berlin Transfer« in der Berlinischen Galerie zeigt XXL-Werke

  • Tom Mustroph
  • Lesedauer: 3 Min.
»Schonung«
»Schonung«

Junge Kunst muss großformatig sein. Jedenfalls dann, wenn sie die Aufmerksamkeit institutioneller Kunstaufkäufer erregen will. Zu dieser Erkenntnis wird der Besucher der Ausstellung »Berlin Transfer. Junge Kunst der Berlinischen Galerie und der GASAG« bereits bei seinen ersten Schritten getrieben. Hier haben sich – durchaus begrüßenswert – die öffentliche Einrichtung Berlinische Galerie, deren Etat für den Aufkauf zeitgenössischer Werke regelmäßig gekürzt wird, und die Kunststiftung der GASAG zusammen getan. Deren Sammlungsbestand findet nach einem Umzug der Unternehmenszentrale keinen angemessenen Platz mehr und landet nun als befristete Leihgabe in der Berlinischen Galerie.

Weil sich die GASAG als ein eifriger Sammler Berliner Künstler der 1960er und 70er Jahrgänge profiliert hat – und durch den jährlichen Förderpreis auch kulturpolitisches Format gewann – stellen die aus diesem Grunde neu hinzugekommenen Arbeiten eine interessante Ergänzung der bereits vor mehr als 100 Jahren begonnenen Sammlung der auf lokale Kunst spezialisierten Berlinischen Galerie dar.

Die große Geste, die diese beiden Partner mit ihrer raumsprengenden Auswahl von Kunstwerken treffen, wirkt dennoch übertrieben. Tim Trantenroth hat auf die gesamte nicht eben kleine Ausstellungswand eine Farbhommage an den Neubau der Feuerwache des Architekturbüros Sauerbruch Hutton aufgebracht. Die Farbflächen weisen eine attraktive Dynamik auf, gewiss. Auch hat Trantenroth einen gewitzten Bruch in den Fluss eingefügt. Warum er dazu aber metern musste wie ein gewöhnlicher Anstreicher, harrt der Erläuterung. Ebenfalls ins benachbarte architektonische Feld trat Miguel Rothschild über. Er baute aus Verpackungskartons diversen Backwerks einen Triumphbogen, der höchst eindeutig den Siegeszug konsumistischer Ideologien zum Objekt materialisiert.

Raimund Kummel lässt in einem riesigen schwarzen Gumminetz ein gleichfalls riesenhaftes Auge baumeln und setzt damit dem Begriff des »Eye Catchers« ein nicht zu übersehendes Denkmal. Immerhin haben sich die Kuratoren in diesem Raum einfallen lassen, die schiere Dimension von Kummers Arbeit mit den winzigen Blickkunststückchen von Adrian Rovatkay zu kontrastieren. Gigantische Fototapeten in einem mit »Fiktion der Wirklichkeit« betitelten Ausstellungsbereich setzen den gigantomanischen Impuls fort, der bereits im Eingangsbereich begann. Dort zogen bereits Thomas Ellers auf doppelte menschliche Größe aufgeblasene Abbilder seiner selbst alle Blicke auf sich. Eller ist mit der Uniform aller höheren Büroangestellten, dem schwarzen Anzug, bekleidet. Sein Gesicht wirkt genauso undurchdringlich wie sein Anzug. Eller hat die Silhouetten auf große Aluminiumtafeln aufgebracht. Von der Zweidimensionalität der Darstellung ist es nur ein kurzer Weg zur Erkenntnis der geringen Tiefe des beispielhaft Dargestellten. Ellers ebenso plakative wie eindrucksvolle Werkgruppe lehrt, dass die Bilder, die wir uns von anderen Personen machen, gewöhnlich von erschreckender Flachheit sind.

Überraschenderweise lösen noch am ehesten die Arbeiten zweier wesentlich älterer Künstler den offenkundig großen Anspruch dieser »Berlin Transfer« überschriebenen Ausstellung ein. Max Wechsler, Jahrgang 1925, verdichtet Zeitungsseiten zu vibrierenden Farbfeldern. Herbert Kaufmann, ein Jahr älter noch als Wechsler, arrangiert seine Collagen zu einer dynamisch-konstruktivistischen Komposition von Urbanität, die geradezu beispielhaft auf den Großstadtmythos von John Dos Passos' New-York-Roman »Manhattan Transfer« verweist, der der ideelle Pate dieser Veranstaltung ist. Den Generationenvergleich zwischen den 40-Jährigen und den 80-Jährigen gewinnen spielend die Alten. Nicht immer lässt eine Aktualisierung des Sammlungsbestandes den Wert einer Sammlung auch signifikant wachsen. Allerdings stellt sich dieser Wert oft erst nach dem Hinscheiden von Künstlern, Aufkäufern und Kuratoren heraus.

Insofern erlaubt »Berlin Transfer« einen zwar von Widersprüchen geprägten, deswegen aber auch interessanten Blick in das wachsen einer Sammlung, die die Produktionsausstöße eines metropolitanen Raumes widerspiegeln möchte.

»Berlin Transfer. Junge Kunst in der Berlinischen Galerie und der GASAG«, Alte Jakobstraße 124 - 28, Kreuzberg, Mi.-Mo. 10-18 Uhr, bis 24. Mai, weitere Infos unter www.berlinischegalerie.de

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