Angriff der Killerzellen
Wie Vitamin D unsere Immunabwehr aktiviert
Viele Menschen in Deutschland nehmen täglich »Calcium plus Vitamin D«, um ihre Knochen zu stärken. Denn seit Langem gilt als erwiesen, dass unser Körper für die effektive Aufnahme von Calcium Vitamin D benötigt, welches nach neueren Studien auch zahlreiche Krankheitsverläufe positiv beeinflussen soll: Diabetes, Morbus Parkinson, Multiple Sklerose, Krebs.
Warum das so ist, war bislang weitgehend unklar. Nun jedoch hat ein Forscherteam um Carsten Geisler von der Universität Kopenhagen deutliche Hinweise darauf gefunden, dass Vitamin D eine Schlüsselrolle in unserem Immunsystem spielt: Es mobilisiert, wenn zum Beispiel Bakterien oder Viren in den Körper eindringen, sofort die Killerzellen unserer Abwehr, die sogenannten T-Zellen. Kommt eine T-Zelle mit einem Krankheitserreger in Berührung, produziert sie ein Vitamin-D-Erkennungsprotein. Dieses wird dann wie eine Antenne ausgefahren, um zu testen, ob im Blut ausreichend Vitamin D zur Verfügung steht. Ist dem so, beginnt die T-Zelle sich zu vervielfältigen, berichten die Forscher im Fachmagazin »Nature Immunology« (DOI:10.1038/ni.1851). Danach greifen sämtliche T-Kopien den Krankheitserreger an und versuchen, ihn unschädlich zu machen. »Erspürt« die T-Zelle indes nicht genügend Vitamin D im Blut, verharrt sie gleichsam in Tatenlosigkeit und trägt nichts zur Immunabwehr bei.
Für ihre Untersuchung verwendeten die Forscher fünf Blutproben, die von Dialyse-Patienten gespendet worden waren. Denn bei Mäusen, den beliebtesten Labortieren in der Medizinforschung, gibt es keine Verbindung zwischen Vitamin D und T-Zellen, was wohl daran liegt, dass Mäuse stark behaart und nachaktiv sind.
Hingegen kann der Mensch Vitamin D in der Haut selbst produzieren, wenn diese vom UV-Licht der Sonne bestrahlt wird. Geschieht das nicht oder zu selten, zum Beispiel im Herbst oder Winter, wird das zuvor im Fettgewebe gespeicherte Vitamin D sukzessive aufgebraucht. Eine zusätzliche Versorgung erscheint dann durchaus sinnvoll, auch in Form von Tabletten aus der Apotheke. Denn außer Lebertran und fettem Fisch enthält kein Nahrungsmittel größere Mengen an Vitamin D.
Doch nicht nur für die Bekämpfung von Bakterien, Viren oder Krebszellen ist es wichtig, die körperinternen Funktionen des sogenannten Sonnenvitamins D genauer zu kennen. Bei Autoimmunerkrankungen oder nach Organtransplantationen reagiert unser Körper bekanntlich mit einer überschießenden Immunreaktion. In beiden Fällen kommt es zu einer explosionsartigen Vermehrung von T-Zellen und damit zu einer Entzündung, die für den Betroffenen schwerwiegende Konsequenzen haben kann. Wäre es in diesem Fall womöglich angezeigt, jegliche Vitamin-D-Versorgung des Körpers zu unterbinden? Noch ist die Frage unbeantwortet, doch Geisler und seine Kollegen hoffen, auch dieses Problem zum Nutzen der Patienten lösen zu können.
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