Nun steckt die FDP selbst in der Stasi-Falle

Der einstige Landtagsfraktionschef und jetzige Schatzmeister Rainer Siebert trat von seinem Amt zurück

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.

Aufgrund von Stasi-Vorwürfen ist der Schatzmeister der märkischen FDP, Rainer Siebert, von seinem Amt zurückgetreten. Sein Fall zieht auch die beiden FDP-Minister der ersten Stunde, Hinrich Enderlein und Walter Hirche, in die Stasi-Querelen hinein. Und dann noch dies: Der kürzlich verstorbene Otto Graf Lambsdorff ist gerade unter die Erde gebracht, da greift die Vergangenheit auch nach ihm. Seit einer FDP-Pressekonferenz am Mittwoch steht er posthum in Verdacht, Stasi-Kontakte eines FDP-Funktionärs verschwiegen zu haben.

Rainer Siebert war einst der Vorsitzende der ersten FDP-Landtagsfraktion. Bei der Stasi-Überprüfung von 1991 hatte er gegenüber seiner Partei angegeben, sich weder verpflichtet noch einen Decknamen bekommen zu haben. Außerdem habe er niemals Berichte angefertigt oder konspirative Treffen besucht sowie niemanden belastet oder denunziert. Aus Unterlagen der Birthler-Behörde, die nun den Medien vorliegen, ergibt sich, dass Siebert sich 1970 »per Handschlag« verpflichtet, als Inoffizieller Mitarbeiter den Decknamen »Alfred Seske« getragen, eine »Schweigeerklärung« unterschrieben und auch berichtet zu haben. Vorgestern erklärte Siebert schriftlich gegenüber seiner Partei, den Posten des Schatzmeisters aufzugeben. Ihm sei bewusst, dass »dieser Schritt böswillig als Schuldeingeständnis dargestellt werden kann, was es ausdrücklich nicht ist«. Siebert bleibt dabei, dass es sich um Berichte handelt, »die mir zugeschrieben wurden, jedoch keinen einzigen von mir«. Er beharrt ferner darauf, dass es keine persönliche Verpflichtungserklärung gebe und keinen Gebrauch von Decknamen. Eine Ehrenkommission, bestehend aus zwei Kirchenleuten, stufte den Landtagsabgeordneten Siebert auf Grundlage der Akten 1991 als »Grenzfall« ein und sah keinen Grund dafür, dass er nicht weiter Parlamentarier sein sollte.

Die aktuelle Erklärung Sieberts enthält den Satz: »Wenn die Bewertung durch unabhängige Dritte nicht anerkannt wird, kommen die eigenen Argumente einem Kampf gegen Windmühlen gleich.« Siebert gab an, Anfang der 90er Jahre die Bundespartei darum gebeten zu haben, in seiner Sache Akteneinsicht bei der Gauck-Behörde zu nehmen. »Im Ergebnis dieser Überprüfung wurde mir das Vertrauen ausgesprochen.«

Gestern tauchte die Frage auf, inwieweit Otto Graf Lambsdorff als FDP-Vorsitzender mit dem Fall und dem Freispruch für Siebert befasst war. Laut Landtagsfraktionschef Hans-Peter Goetz hatte damals auch die Landespartei Untersuchungen angestellt und war zu dem gleichen – für Siebert entlastenden – Ergebnis gelangt. Siebert berufe sich auf das Votum des damaligen Kulturministers Hinrich Enderlein und des seinerzeitigen Wirtschaftsministers Walter Hirche. Enderlein war lange FDP-Landeschef. »Ich kläre das mit der Bundespartei«, sagte Goetz.

Auch ein zweiter Fall ist bekannt geworden. Der frühere FDP-Landtagsabgeordnete Alfred Pracht, heute Büromitarbeiter des FDP-Bundestagsabgeordneten Martin Neumann, ist ebenfalls mit dem Vorwurf konfrontiert, für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) gearbeitet zu haben. Neumann gehörte in der ersten Legislaturperiode gleichfalls der FDP-Landtagsfraktion an. Er übernahm in der Halbzeit das Amt des Fraktionschefs, das Rainer Siebert niedergelegt hatte.

Die brandenburgische FDP zieht nun die Konsequenz in Form eines Beschlusses, wonach eine Tätigkeit für das MfS oder als SED-Kader unvereinbar sein soll mit einer Rolle als FDP-Funktionär, erläuterte Goetz. Er selbst sei gläubiges SED-Mitglied gewesen, war zuständig für das FDJ-Studienjahr und Kultur.

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