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Moleküle des Lebens aus dem All
Russische Biochemiker produzierten unter simulierten Weltraumbedingungen DNA-Bausteine
Wie kam das Leben auf die Erde? Jahrtausende lang beantworteten sich die Menschen diese Frage mit dem Verweis auf allmächtige Götter. Doch wenn man keinen Schöpfergott bemühen möchte, muss man eine natürliche Erklärung finden. Einen originellen Versuch dafür lieferte im Jahre 1906 der schwedische Physikochemiker Svante August Arrhenius mit seiner Panspermie-Lehre. Diese besagt, dass das Leben im Weltall entstand und mit Meteoriten auf die Erde gebracht wurde. Auf der Erde weist man organisches Leben in Gesteinen nach, die ein Alter von ungefähr vier Milliarden Jahren haben. Für Stanley Lloyd Miller stand jedoch fest, dass das Leben auf der Erde entstand. Der US-Biochemiker erzeugte 1953 im nach ihm benannten Experiment einen Urozean, indem er Wasser erhitzte. Der Wasserdampf traf auf die sauerstofffreie Uratmosphäre, die sich seiner Meinung nach aus einem Gemisch aus Methan, Ammoniak und Wasserstoff zusammensetzte. Funkenentladungen mit Temperaturen bis 600°C simulierten sowohl heftige Blitzeinschläge als auch die UV-Strahlung der Sonne, die damals noch ungefiltert auf die Erde traf. Im Verlauf des Versuchs, der mehrere Tage dauerte, entstanden neben Kohlendioxid, Stickstoff und Wasser auch organische Moleküle. Aus diesen kondensierten schließlich alle wesentlichen Komponenten belebter Materie, so z.B. Aminosäuren, Fettsäuren und Zucker. Die Grundstrukturen des Lebens waren geschaffen.
Fanden die chemischen Reaktionen, die zu den ersten organischen Verbindungen führten - und die Grundlage für das Leben sind, nun auf der Erde oder irgendwo im Weltraum statt? Noch heute eine Streitfrage. Für Ewgenia A. Kusitschewa und Natalja B. Gontarewa vom Institut für Zytologie der Russischen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg ist es vor allem eine Zeitfrage. Konnte innerhalb von maximal einer Milliarde Jahre der Übergang von einer anorganischen molekularen Einheit bis hin zu einzelligen Lebewesen stattgefunden haben?
Bei der Untersuchung von Asteroiden, Meteoriten und kosmischen Staubpartikeln entdeckten sie auf deren Oberflächen einzelne organische Moleküle, wie Aminosäuren und Zucker - Grundbausteine für die Erbsubstanz DNA. Es galt nachzuweisen, dass sich Bausteine der DNA wie das 5-Adenosin-Monophosphat (5-AMP) auf der Oberfläche kosmischer Staubpartikel bilden konnten. Unter Laborbedingungen und mit den Zutaten, die sie auch auf den Himmelskörpern fanden, begannen sie zu experimentieren. Auf der Erde bildet sich 5-AMP aus Adenosin und anorganischem Phosphat nur in wässrigen Lösungen, im All dagegen fehlt flüssiges Wasser. Deshalb trockneten die beiden russischen Forscherinnen die Ausgangsstoffe und beschichteten damit 0,2 Millimeter kleine Staubpartikel vom Mond. Die nötige Reaktionsenergie sollte im Versuch wie im All UV-Licht liefern, mit dem die beiden Russinnen die Partikel sieben bis neun Stunden lang bestrahlten. Danach fanden sie neben weiteren Komponenten hauptsächlich 5-AMP-Moleküle. Allerdings wird 5-AMP durch intensive UV-Strahlung auch wieder zerstört. Durch das Anlagern der Moleküle an die Gesteinspartikel waren sie jedoch vor einer zu schnellen Zerstörung geschützt. So steht für die beiden Russinnen fest, dass sich die ersten organischen Moleküle im Weltall gebildet haben können und zwar schon während der Entstehungsphase des Sonnensystems. (»Journal of Evolutionary Biochemistry and Physiology«, Bd. 37, S. 5, russ.). Meteoriten hätten dann die einfachen organischen Verbindungen auf die Erde gebracht, wo sich die Bildung noch komplexerer organischer Moleküle fortsetzte, die sich selbst reproduzieren können, eine weitere Grundvoraussetzung für das Leben. Die biologische Entwicklung konnte beginnen.
Ebenfalls von der Entstehung organischer Moleküle im All ist der Astronom Jan M. Hollis vom NASA Goddard Space Flight Center überzeugt. So wiesen Hollis und seine Kollegen bei der Auswertung der Daten, die das Radioteleskop von Kitt Peak in Arizona im Mai 2000 aufgenommen hat, das als Frostschutzmittel verwendete Ethylenglykol nach. Gefunden hatten sie die einfache organische Verbindung in einer riesigen interstellaren Staubwolke mit Namen Sagittarius B2 inmitten der Milchstraße, 26000 Lichtjahre von der Erde entfernt. Etylenglykol ist ein Molekül aus 10 Atomen, nämlich Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff. Es ist eines der fünf größten Moleküle, die im All nachgewiesen wurden. Schon vorher waren sie auf das chemisch verwandte 8-atomige Molekül Glykolaldehyd gestoßen. Fügt man diesem noch zwei Wasserstoffatome hinzu, wird aus dem Glykolaldehyd eben Ethylenglykol. »Das bedeutet, dass sich möglicherweise aus diesen und anderen Molekülen komplexe Zuckerstrukturen wie Ribose und Glukose (Traubenzucker) in den interstellaren Wolken bilden können«, so Hollis. Und diese Zucker ihrerseits sind Grundbausteine für die DNA. Also wiederum ein Hinweis darauf, dass die Vorläufer des Lebens im All zu finden sind. Denn aus den interstellaren Wolken bilden sich neue Sterne. Und zwar lange bevor dann die Planeten entstehen.
Aber auch die Wissenschaftler, die den Ursprung des Lebens auf der Erde vermuten, machen neue Entdeckungen. So fand ein kanadisches Wissenschaftlerteam in Südafrika, Skandinavien und Kanada in präkambrischem Kristallingestein kohlenwasserstoffreiche Gaseinschlüsse. Die Forschungsleiterin Barbara Sherwood Lollar von der Universität Toronto vermutet, dass diese Gaseinschlüsse eine Rolle bei der Entstehung des Lebens gespielt haben können. Die Proben stammen aus Minen in ungefähr zwei Kilometer Tiefe. Wesentlich ist, dass die Gase, die so auch in Meteoriten nachgewiesen hat, offenbar ohne Zutun von Organismen entstanden sind. Normalerweise entstehen sie durch Zersetzung von organischem Material. Die Geochemikerin Sherwood Lollar vermutet sogar; »dass Mikroben, die in solchen Tiefen leben, die Gase als Na...
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