Kulturbotschafter des Islam
Der Gropiusbau zeigt rund 200 »Schätze des Aga Khan Museums«
Weiß strahlt es im Eingangsbereich unter Glas: das Modell des von japanischer Hand entworfenen Aga Khan Museums zu Toronto. Dort sollen ab 2013 auf bislang unsondiertem Terrain all jene Schätze islamische Kunst popularisieren, die derzeit im Gropiusbau Station machen. Gut 200 erlesene Exponate aus 1000 Jahren Historie umfasst Aga Khans Kollektion.
Karim Aga Khan IV. ist seit 1957 das geistige Oberhaupt der schiitisch-muslimischen Ismailiten und führt als 49. Imam seine Ursprünge direkt auf den Propheten Mohammed zurück. Seinen Aktivitäten zur Erhaltung des kulturellen Erbes verdankt sich die weltweit singuläre Sammlung von Meisterwerken der islamischen Kunst. Gegliedert ist die Schau in zwei Hauptstränge.
Einleitend zeigt »Das Wort Gottes« Koranmanuskripte sowie Objekte, die mit Gebet oder Mystizismus zu tun haben. Eine Muschel mit Koraninschrift beeindruckt ebenso wie ein Kastanienblatt, dessen Skelett eine Kalligrafie aus Goldfäden durchzieht. Selbst Fliesen enthalten Koranverse, winzig sind Texte auch grüner Baumwolle eingewebt. Koranblätter wurden anfangs in Kufi-Schrift, benannt nach der irakischen Stadt Kufa, beschrieben: mit flüssigem Leim, dann mit Goldstaub bestreut, mit Tinte konturiert. Die Kalligrafie genannte Schönschrift entwickelte später weitere Schriftarten, wurde zum wichtigen Kunstzweig.
Besonders wertvoll ist ein Doppelblatt aus dem Blauen Koran, der um das 9. Jahrhundert in Nordafrika entstand. Um 1580 datiert ein Fliesenfeld mit Gebetsnische, Ampel und den Sandalen des Propheten. Gottes Licht entspreche einer Nische, die Lampe im Glas darin einem Stern, entzündet mit dem Öl des Ölbaums, heißt es im Koran. Ausgestellt sind Bettelschalen der Derwische, Pilgerflaschen, Gebetsamulette, geschnitzte Holzpaneele mit Koranzitaten, eine Fliese mit der Darstellung der Kaaba, die die Gebetsrichtung angibt: gewandt nach Mekka.
Sind diese Objekte den einzelnen Epochen entnommen, so will, wesentlich umfangreicher, »Die Route der Reisenden« den Weg durch die islamische Welt auffächern. Die reicht von Al-Andalus auf der Iberischen Halbinsel über den Maghreb und Sizilien bis zum fatimidischen und mamlukischen Ägypten, zum ottomanischen Konstantinopel, dem umayyadischen Damaskus und ayyubidischen Bagdad, bis nach Persien, Zentralasien, dem Mogulreich Indiens. Was mit der ersten islamischen Dynastie, den Umayyaden, 661 bis 750 in Syrien begann, sich dann im heute spanischen Al-Andalus fortsetzte, macht ähnlich Europa Machtverlagerung und Ortswandel durch, umgreift durch kriegerische Eroberung einen Großteil der Welt bis hin nach Nordafrika.
Alle förderten sie, ob Schah, Kalif, Sultan, Mogul, auch aus Prestigegründen die Künste, Handwerke gelangten zu höchster Blüte. Damaskus, Córdoba, Bagdad, Kairo, Istanbul, Delhi waren zeitweise die Metropolen der einzelnen Reiche. Kunststile wurden entwickelt und verfeinert, Einflüsse fremder Kultur bis hin nach China einbezogen, zu reizvollen Mischstilen umgeformt. In Gemälde, Zeichnung, Buchillustration, Manuskript, Inschrift, Metallgefäß, Keramik, Schmuck, Holz-, Glas- und Elfenbeinarbeit bietet die Ausstellung dazu einen imposanten Überblick. Dass sie zudem einen Eindruck gibt, wie viel Europa dem Islam verdankt, wie rege der Kulturaustausch war, mag für manchen heilsam sein.
Aus Al-Andalus und dem Maghreb haben sich Grabstelen, ein Astrolabium, eine Schreibschatulle mit wundervollen Intarsien, ebenso ein farbig gefasster, mit Dichterversen und floraler Ornamentik verzierter Holzbalken erhalten. Eine Taube als Räuchergefäß stammt aus Sizilien, eine Fliese mit sternförmigem Durchbruch aus Syrien; farbige Dreiecks-Paneele aus Spanien ziert Sternflechtmuster. Vom hohen Stand der Goldschmiedekunst zeugt das winzige Behältnis für einen Miniaturkoran; Bänder mit Inschriften schmücken Ehrengewänder, die der Kalif an seine Höflinge verteilte; Damaszener Flaschen dienten als Vorläufer unserer Apothekerflaschen. Liegt Avicennas fünfbändiger »Kanon der Medizin« im frühest erhaltenen Manuskript vor, so zeigt ein Extrakabinett Blätter aus Firdausis »Buch der Könige«, der in 35 Jahren verfassten, 1010 beendeten, 50 000 Verse zählenden Historie des antiken Persiens.
Ein glänzend, fast transparent in Indien mit Perlmutt beschichtetes Flügeltürpaar steht gewissermaßen als abschließendes Pendant zur Muschel mit Koraninschrift des Anfangs.
Bis 6.6., Gropiusbau, Niederkirchnerstr. 7, Kreuzberg, Telefon 25 48 60, www.gropiusbau.de
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