In Nepal ging die Ära Koirala zu Ende
Tochter Sujata übernimmt das Erbe des gewieften politischen Veteranen
Der 86 Jahre alte Veteran, einer der gewieftesten Politiker Südasiens, war am Sonnabend in Kathmandu nach langem Lungenleiden gestorben. Am Sonntag nahmen die Einwohner der Hauptstadt Abschied von dem ebenso verehrten wie oftmals auch scharf kritisierten Staatsmann, der im Dashrat-Stadion aufgebahrt worden war. Die KP Nepals (Maoistisch) bezeichnete den Tod Koiralas als »Verlust für den zerbrechlichen Friedensprozess«. Ihr Vorsitzender Pushpa Kamal Dahal Prachanda verhandelte bis zuletzt mit Koirala über eine Formel zur Machtteilung.
Seit Mai vorigen Jahres stehen die Maoisten in Opposition zu einer Koalition aus NC und KP Nepals (Vereinte Marxisten und Leninisten). Deshalb steckt das Land in einer politischen Krise, die sich ohne Regierungsbeteiligung der Maoisten nicht lösen lässt. Sie bilden die weitaus stärkste Fraktion im Parlament. Im Mai läuft eigentlich die Frist für die Ausarbeitung einer neuen Verfassung aus. Doch wegen der Krise wird man diesen Termin nicht einhalten können.
Kommt mit dem Abgang Girija Prasad Koiralas von der politischen Bühne Bewegung in die festgefahrene Situation oder rangeln die politischen Fraktionen nach den Trauerfeierlichkeiten wie zuvor um die Macht? Das ist die entscheidende Frage, zu deren Beantwortung das jüngste Mitglied des Koirala-Clans etwas Konstruktives beisteuern könnte – Sujata Koirala. Die Tochter des Verstorbenen fungiert seit 2009 als Außenministerin und Vizepremier Nepals wie auch als NC-Generalsekretärin. Allerdings ist sie bei weitem nicht so populär, wie es ihr Vater war, den man in Parteikreisen gern als »Koirala Babu« ansprach.
Er stammte aus einer Politikerfamilie. Seine Vater bekämpfte aus dem Exil in Indien die feudalistische Rana-Diktatur. 1947 gründeten die Exilanten den Nepali National Congress. Girija Prasad Koirala gilt als Gründer der Gewerkschaftsbewegung Nepals. Ende der 50er Jahre wurde er für sieben Jahre eingekerkert. Pragmatisch und mit politischem Instinkt verstand er es wie kein anderer, die Stimmung im Volk zu deuten und entsprechend zu reagieren. So 1990, als eine Volkserhebung die Umwandlung der absoluten in eine konstitutionelle Monarchie mit einem Mehrparteiensystem erzwang. Der NC gewann die anschließenden Wahlen und Koirala wurde erstmals Premier. Vier weitere Amtszeiten als Regierungschef, überwiegend autoritär ausgeübt, folgten.
Nach der Jahrtausendwende begriff Koirala, dass die maoistische Revolte nicht mehr aufzuhalten war. Deshalb nahm er Kontakt zu Guerillakommandeur Prachanda auf. Die Verhandlungen führten 2005 zu einer 12-Punkte-Erklärung, 2006 zum Friedensabkommen und schließlich zum Sturz der Monarchie. Es war wohl sein größtes Verdienst, die Maoisten an den Konferenztisch geholt zu haben. Als die KPN (M) im April 2008 bei den Wahlen zum Verfassungskonvent, dem provisorischen Parlament, einen sensationellen Sieg errangen und eine Koalitionsregierung bildeten, begann Koiralas Stern endgültig zu verblassen. Er musste erkennen, dass seine Partei nicht mehr die dominierende Rolle spielte.
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