Schönwetterfahrer übersehen die Gefahr
ADFC erinnert mit neun Geisterrädern an getötete Velofahrer / Mehr Radwege nötig
Jeder Fahrradfahrer kennt diese Situation: Ein Autofahrer biegt rechts ab, ohne auf den Radweg zu achten. Im besten Fall kann man ausweichen und fährt schimpfend weiter. Leider kommen nicht alle mit dem Schrecken davon. Im letzten Jahr starben insgesamt neun Velofahrer in Berlin. Um an sie zu erinnern, stellt der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club Berlin (ADFC) an jeder Unfallstelle ein weiß lackiertes »Geisterrad« auf. Auf einem angebrachten Zettel stehen das Alter der Verunglückten und das Unfalldatum.
»Wir wollen nicht, dass die getöteten Radfahrer zu einer Statistik verkommen, wir wollen mit der Aktion an sie erinnern und die Verkehrsteilnehmer für diese Thematik sensibilisieren«, erklärte Boris Kluge, Initiator des Projektes. Zusammen mit der Landesvorsitzenden Sarah Stark platzierten sie am Dienstag ein Geisterrad an der Prenzlauer Allee Ecke Danziger Straße, wo am 24. Juni 2009 eine 34-Jährige von einem rechtsabbiegenden Lkw getötet wurde.
Den Vielfahrern sind die Gefahren auf den Straßen der Hauptstadt bekannt, wenn es darauf ankommt, verzichten sie auf ihre Rechte. Die Schönwetterfahrer hingegen werden schneller in Unfälle verwickelt, so Kluge. Im vergangenen Jahr gab es 125 000 Verkehrsunfälle in Berlin. Radfahrer waren an rund 7000 Unfällen beteiligt. Hauptunfallverursacher bleiben mit mehr als 70 Prozent allerdings die Autofahrer.
»Es geht uns mit der Aktion der Geisterräder nicht um irgendwelche Schuldzuweisungen. Vielmehr erhoffen wir uns, dass alle Verkehrsteilnehmer mehr auf einander achten«, versicherte Sarah Stark von ADFC. Wichtig sei eine verbesserte Infrastruktur, die die Radwege in der ganzen Stadt ausbauen sollte. »Der Senat, der ADFC aber auch die Bezirke müssen sich gemeinsam für mehr Sicherheit einsetzen. Übersichtliche Kreuzungen können Leben retten«, sagte Boris Kluge, der gleichzeitig Fahrradfahrer aufforderte bei Rot stehen zu bleiben und nachts mit Licht zu fahren. Außerdem sollte man bei Lkws, wegen des toten Winkels, auf sein Vorfahrtsrecht verzichten. »Der Sichtkontakt ist wichtig. Wenn der nicht gegeben ist, muss man akzeptieren, dass man der Schwächere ist«, so Kluge.
Gestern hat sich der ein oder andere Fahrer und Passant auf der Prenzlauer Allee Zeit genommen, um sich das Geisterrad anzugucken. Angst wolle man jedoch mit der Aktion niemanden machen. Bis November sollen die Geisterräder aufgestellt bleiben und zur Vor- und Rücksicht mahnen. In diesem Jahr ist zwar noch kein Radfahrer tödlich verunglückt, aber die Velo-Saison hat noch nicht begonnen.
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