Spielerische Erkundung der Gegensätze

Das Chamäleon bringt mit »Versus« neue Akrobatik- und Artistikshow auf die Bühne

  • Sarah Liebigt
  • Lesedauer: 4 Min.
Schwerelos im Chamäleon
Schwerelos im Chamäleon

In blaues Licht getaucht läuft eine junge Frau langsam auf die Bühne zu, aus dem Off tönt eine Frauenstimme, spricht einen Monolog über Gesellschaft, Respekt und Liebe. Am Ende des Weges angekommen, machen Monolog und Frau kehrt und gehen rückwärts den Weg zurück. Die Köpfe in den Nacken gelegt, verfolgt das Publikum ihren Weg zurück – sie hängt kopfüber an der Decke und bewegt sich gut gesichert über den Zuschauern.

Im Berliner Varieté Chamäleon feiert heute die neue Show »Versus« Premiere. In der Produktion des Circle of Eleven unter der Regie von Markus Pabst, der zuletzt erfolgreich und im Wortsinne spritzig die Show »Soap« auf die Bühne brachte, übertrumpfen sich diesmal acht Akrobaten und Artisten im Spiel mit den Gegensätzen.

In der Mitte des Saals steht die rautenförmige Bühne, von der Decke hängende Trapeze künden vom zu erwartenden Programm. Oben – unten, weiblich – männlich, Willkommen – Ablehnung, melancholisch – dynamisch. Die Schwerkraft außer Kraft setzend, nehmen die Akrobaten an Seil, Trapez, Strapat und Vertikaltuch den gesamten Bühnenraum in Besitz. Bis über die Köpfe des Publikums schwingen und springen sie, manch einer unter den Zuschauern sitzt von Anfang bis Ende mit vor den Mund geschlagener Hand da und beobachtet gebannt die Artisten. Tanz und Akrobatik wechseln sich ab, zunächst messen sich die vier Männer, Mikael Bres (Frankreich), Raphael Cruz (USA), Joseph Pinzon (USA) und Tobias Wegner (Deutschland) in Sprüngen und ihre Kräfte. Zwischen Hand-auf-Hand-Akrobatik und angedeuteter Prügelei entsteht so ein rasantes Hin und Her. Die dicht an der Bühne Sitzenden zucken zusammen bei jedem Sprung der Tänzer, der über den Bühnenrand hinaus geht. Mikael Bres übernimmt ein wenig den Part des Pausenclowns, erinnert jedoch in Bewegung und Körpersprache mehr an Charly Chaplin als an den Tollpatsch Zirkusclown. Mit feinem Humor und verzückter Mimik geht er mal ein Zwischenspiel mit Lena Ries (Deutschland) hoch oben an der Saaldecke ein, oder er überzeugt das Publikum davon, seine akrobatischen Versuche zu vertonen.

So wie die vier Männer zu Beginn, treffen sich die vier Frauen schließlich in der Bühnenmitte – von der Decke hängend an Trapezen. Kopfüber und scheinbar bequem schaukelnd, steigern sie das Tempo, bis sie sich mal Knotenähnlich in der Mitte treffen oder knapp aneinander vorbei fliegen.

Geneviéve Drolet (Kanada) und Joseph Pinzon überzeugen mit ruhigen Solos in Handstand und am Vertikaltuch. Drolet windet sich anmutig von einer Stele zur anderen, versinkt im einhändigen Handstand, die Beine zur Seite gebogen. Schwerelos oder wie an unsichtbaren Fäden geführt muten ihre Bewegungen an. Pinzon vollführt am Tuch verschnörkelte Kunststücke, lässt sich bis auf eine Handbreit zurück zum Boden fallen. Beide Artisten treffen sich im zweiten Teil der Show zu einem Trapezstück, das gekonnt mit den Fähigkeiten der beiden spielt. Zu ruhiger Musik beginnt ein sanfter Tanz hoch oben, dessen akrobatische Grundlage dem Betrachter fast entgeht. Ebenso treffen Wegener und Anke van Engelshofen (Deutschland) am Strapat aufeinander. Mit schnelleren Bewegungen, intensiveren Kunststücken hebt der eine die andere, spielen sie miteinander Katz und Maus.

Versus überzeugt durch eine sparsame Prise Schauspiel, die dem Spiel mit Gegensätzen, dem Spiel gegen- und miteinander einen Rahmen gibt, und doch den Zuschauern genug Raum für eigene Interpretationen lässt. Die Mimik des Publikums spiegelt gleichsam die jeweilige Stimmung auf der Bühne wieder. Lächelnd, mit großen Augen, auch zögernd zurückgelehnt sitzen die Zuschauer da und beobachten. Die internationale Besetzung überzeugt sowohl in gemeinsamen Auftritten, als auch in den Solos in Kontorsion, Equilibristik und am Tuch. Pabst verzichtet in dieser Show auf umfangreiche Requisite, stattdessen setzen Musik und Licht die passenden Akzente, liefern Hintergrundbild und Begleitung gleichermaßen.

Zum Finale spinnen alle acht Artisten in schnellem Tempo ein blaues Netz zwischen Saaldecke und den vier Eckstangen der Bühne. Sie hängen darin wie weiches Wachs, tropfen schwer zurück auf den Boden, lassen sich schließlich hinab gleiten zur Verbeugung.

Bis 28. August. Chamäleon in den Hackeschen Höfen, Rosenthaler Straße 40/41, Berlin-Mitte. www.chamaeleonberlin.de

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