Am Küchentisch »verklärte« DDR?

Landtag beschließt Einsetzung der Enquetekommission zu den ersten Nachwendejahren

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 2 Min.

Der Landtag beschloss gestern die Einsetzung einer Enquetekommission. Sie soll die Art und Weise der Vergangenheitsbetrachtung in Brandenburg unter die Lupe nehmen. Die Regierungsparteien SPD und LINKE enthielten sich der Stimme. Ihr Ergänzungsantrag, mit dem der Untersuchungsauftrag für die Kommission erweitert wird, fand wiederum nur die Zustimmung der Koalition.

CDU, FDP und Grünen geht es erkennbar darum, mit der Ära von Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) abzurechnen. Unumwunden sagte CDU-Fraktionschefin Johanna Wanka gestern, es betreffe vor allem die SPD, »die 20 Jahre in der Regierung ist«. Sie verwahrte sich gegen »Denkverbote«. Grünen-Fraktionschef Axel Vogel rechnete mit der brandenburgischen Familie ab, die ihm ideologisch zu wenig gefestigt erscheint: Am Küchentisch werde »die DDR mehr verklärt als erklärt«, schimpfte er. Und dass »Verharmlosung« lange Jahre das Bild bestimmt habe. »Strukturen und Mentalitäten aus der DDR« seien in das neue Bundesland übergegangen.

Linksfraktionschefin Kerstin Kaiser ließ keinen Zweifel daran, dass auch die Verantwortung der heutigen Oppositionsparteien für die Situation in Brandenburg betrachtet werden müsse. Sie erinnerte daran, dass die heutige Leiterin der Stasi-Unterlagenbehörde Marianne Birthler als erste brandenburgische Bildungsministerin Verantwortung trug. Kaiser bekannte, dass die Zeit für eine Bilanz tatsächlich reif sei. Beantwortet werden müssten unter anderem die Fragen: Wohin führte der Nachbau West? Gibt es Gruppen, die den sozialen Anschluss verpasst haben? Konnte ein zukunftsfähiges Wirtschaftsmodell entwickelt werden? Welche Rolle spielte die Rekrutierung der Funktionseliten aus dem Westen?

Die SPD-Abgeordnete Klara Geywitz wurde mit breiter Mehrheit zur Kommissionsvorsitzenden gewählt. Ihr Stellvertreter ist Dieter Dombrowski (CDU). Geywitz fand nachdenkliche Worte und regte Behutsamkeit und Augenmaß an: Je weiter ein zu bewertender Vorgang zurückliege, »umso schärfer und unduldsamer fallen oft die Urteile aus«.

In der FDP wird um die Besetzung der Enquetekommission gerungen. Fraktionschef Hans-Peter Goetz möchte genauso in die Kommission wie seine Amtskollegen Kaiser und Vogel. Gerangel gibt es um Vogels Stellvertreter in dem Gremium. Zunächst wurde Jens Lipsdorf benannt, doch nach seinem kritischen Brief, in dem es um den Umgang mit dem nach Stasi-Vorwürfen zurückgetretenen Schatzmeister Rainer Siebert ging, soll nun Vizefraktionschef Raimund Tomczak übernehmen.

Kommentatoren empören sich, weil sie lieber die junge FDP-Abgeordnete Linda Teuteberg auf dem Stellvertreterplatz gesehen hätten. Die erst 28-Jährige wählte sich die Vergangenheitsbewältigung als politisches Thema und trat bereits mit unduldsamen Redebeiträgen gegen die »Mächte von gestern« in Erscheinung.

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