Rechtspopulist und Bürgermeister
LINKE in Arnstadt fordert Rücktritt und die SPD stellt Anzeige
»Auch im neuen Rathaus werde ich schalten und walten, wie ich es will.« Mit diesen Worten machte Arnstadts Bürgermeister Hans-Christian Köllmer (Pro Arnstadt) vor ein paar Tagen gegenüber der Presse deutlich, was er anscheinend von demokratischem Regieren hält. Nämlich nichts – das bescheinigen ihm schon seit Jahren Mitglieder verschiedener Stadtratsfraktionen. Zudem ist Köllmer weit über die Stadtgrenzen hinaus für sein antidemokratisches und rechtspopulistisches Verhalten bekannt. Nicht nur, dass er zu dem verstorbenen Österreicher Jörg Haider ein freundschaftliches Verhältnis pflegte, ließ sich Köllmer während seiner Amtszeit bis heute kein einziges Mal bei antifaschistischen Demonstrationen in seiner Stadt blicken. Dass er auch dafür mitunter als Nazi tituliert wurde, kommentiert er so: »Im Wort Nationalsozialismus steckt mir viel zu viel Sozialismus drin.«
Im Dezember vergangenen Jahres nahm Köllmer an der Bundesversammlung von »Pro Deutschland« teil und hielt dort in seiner Funktion als Bürgermeister eine Rede. Die Organisation wendet sich vor allem gegen eine vermeintliche Islamisierung Deutschlands und ist für eine Begrenzung der Einwanderung von Flüchtlingen. Vom Verfassungsschutz wird der Ableger »Pro Köln« als rechtsextrem eingestuft.
Mit seinem Bekenntnis gegen Bürger mit Migrationshintergrund dürfte sich Köllmer vor allem bei fremdenfeindlichen Bürgern lieb Kind machen: »Ich bin gegen Multikulti. Deutschland darf kein Einwanderungsland werden.« Daher müsse seiner Auffassung nach auch das Asylverfahrengesetz »gestrafft« werden. Im Januar dieses Jahres unterschrieb Köllmer auch einen Offenen Brief von Pro Deutschland zur Unterstützung rassistischer Aussagen des ehemaligen Berliner Finanzsenators und Vorstandsmitglieds der Deutschen Bundesbank Thilo Sarrazin.
Stadtratsfraktionen
gegen Stadtoberhaupt
In einem Zeitungsinterview, auf seine Kontakte zur rechten Szene angesprochen, stellte Köllmer unverfroren die Frage, ob »heute auch schon wieder ausgegrenzt werde wie damals im Dritten Reich die Juden«. »Keine Entschuldigung vermag die Ungeheuerlichkeit dieser Aussagen aus der Welt zu schaffen«, sagte Steffen Dittes, Vorsitzender der Arnstädter Stadtratsfraktion der LINKEN am vergangenen Dienstag in einer Stadtratssitzung. Er forderte Köllmer im Namen seiner Fraktion auf, sein Amt niederzulegen.
Auch die SPD-Fraktion wirft dem Bürgermeister Amtsmissbrauch in der Ausübung seiner demokratischen Pflichten vor. Sie erstattete gegen ihn Anzeige wegen Verdacht auf Volksverhetzung. Im Thüringer Innenministerium läuft derzeit ein Prüfverfahren gegen Köllmer, der auf seinen Dienstwagen den Aufkleber »Ich bin die Waffenlobby« spazieren fährt. Am Dienstagabend verteidigte er sich: »Ich lasse mir nicht vorschreiben, in welcher Richtung ich zu denken habe.« Der ehemalige Bürgerrechtler des Neuen Forums »denke gar nicht daran zurücktreten«. Für eine Neuwahl stehe er jedoch wieder zur Verfügung, sagte er unter Buhrufen.
Helmut Hüttner, Vorsitzender der CDU-Fraktion, die Köllmer auffordert, sein »Engagement für Pro Deutschland zu überprüfen«, ist sich sicher: »Kommt es zu Neuwahlen, werden wir diesmal einen Kandidaten aus unseren Reihen wählen«, sagte er gegenüber ND. Und Kerstin Petermann, Lehrerin aus Arnstadt, empörte sich am Rande der Stadtratssitzung: »Dass Köllmer die Wende mitgestaltet hat, entschuldigt noch lange nicht seine rechtspopulistischen Positionen.« »In der nächsten Sitzung werden wir einen Abwahlantrag gegen Köllmer einbringen«, sagte SPD-Fraktionsvorsitzende Martina Lang auf Nachfrage von ND. »Wir sind am Überlegen, noch ganz andere Zeichen gegen ihn zu setzen«, stellte sie in Aussicht.
Am Donnerstag teilte Hans-Christian Köllmer auf Nachfrage von ND mit: »Wir alle haben 1989 für Demokratie gestritten und genau diese Demokratie ermöglicht es, dass nicht alle einer Meinung sein müssen und das auch noch offen sagen dürfen. Was im Endeffekt vom Volk dann entschieden wird, zeigt sich bei den Wahlen.« Es könne »natürlich auch sein, dass ich mich irre«, räumte er noch ein. Ob er damit seine Nähe zu den Rechten meint, bleibt offen.
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