Schlossbau nackt und teuer
Wenn Spenden nicht fließen, könnte Humboldt-Forum auch ohne Fassaden entstehen
Der Berliner Schlossneubau alias Humbold-Forum droht wesentlich teurer auszufallen als geplant und zudem über Jahre eher den Charme eines Betonklotzes denn eines Schlosses auszustrahlen. Das befürchtet die baupolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Heidrun Bluhm. Anlass ist die Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesbauministerium, Enak Ferlemann, auf ihre Anfrage nach der Entwicklung der Baukosten und der Fassadenrekonstruktion.
Der Bundestag hatte für das Projekt 2007 eine Kostenobergrenze von 552 Millionen Euro festgesetzt. 480 Millionen Euro entfallen auf den Bau, davon auf die Fassade 80 Millionen Euro, die durch Spenden aufgebracht werden sollen. Weitere 72 Millionen Euro sind für die Ausstattung vorgesehen. Bluhm hatte in ihrer Anfrage auf einen Bericht der Bundesregierung über den Preisauftrieb verwiesen, der seit 2005 bei »komplexen Bauvorhaben« zu Kostensteigerungen von bis zu 100 Prozent geführt habe. Ferlemann erklärte, dass die zukünftige Baupreisentwicklung nicht zu prognostizieren sei und deshalb reine Spekulation wäre. Für Planungs- und Baurisiken sei innerhalb des Budgets von 552 Millionen Euro zwar Vorsorge getroffen, für eventuelle Steigerungen der Baupreise sei dies aber haushaltsrechtlich nicht zulässig. Was wohl bedeutet, dass sie später draugeschlagen werden können.
Bluhm hält deshalb die geplanten Kosten schon heute für unrealistisch. »Die wurden praktisch im luftleeren Raum berechnet, als noch gar kein Entwurf für das Schloss vorlag.« Als dann Ende 2008 aus dem Architektenwettbewerb Franco Stella als Sieger hervorging, war Experten bald klar, dass die komplette Umsetzung seines Entwurfs 760 Millionen Euro kosten würde. Stella musste ihn deshalb abspecken. Bluhm fordert nun, unterstützt von SPD und Grünen, bis Herbst eine Kostenberechnung unter Berücksichtigung der veränderten Architektenpläne und Baupreise. »Ich würde mich nicht wundern, wenn wir dann bei einer Milliarde Euro liegen.«
Vielleicht entsteht dann auch nur ein nacktes Betonschloss. Falls die vom Förderverein Berliner Schloss zugesagten Spenden von 80 Millionen Euro für die Fassaden nicht zusammenkommen, hält das Bauministerium für ihre Wiedererrichtung »eine gewisse zeitliche Entkoppelung gegenüber dem übrigen Baukörper« für machbar. Sie sollen also je nach Spendeneingang errichtet werden. Bundesbauminister Ramsauer hatte kürzlich geklagt, dass die Spendensammler erst eine Million Euro zusammengekratzt hätten.
Einige Wettbewerbsteilnehmer müssen es geahnt haben, dass es mit der Barockfassade schwierig wird. Das Büro Kuehn Malvezzi entwarf eine Fassade aus Ziegelmauerwerk, die auch »als fertiger Rohbau ästhetische Qualitäten« aufweist. Vahjen+Partner schlugen eine »temporäre Gebäudehülle« aus bedruckter Glasfaser vor. Aber sie haben keine Chance mehr auf Realisierung, wie das Bauministerium auf eine frühere Anfrage der Grünen mitteilte.
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