Jesus im weißen Gym-Anzug
»Peaches Christ Superstar« im HAU 1
Die Konzerte der kanadischen Sängerin Peaches sind mitnichten immer jugendfrei. Dass sie auch anders kann, hat sie in »Peaches Christ Superstar« im Berliner Hebbeltheater bewiesen. Von Donnerstag bis Samstag hat sie hier ihre leicht gekürzte Version der Rockoper »Jesus Christ Superstar« aufgeführt. Allein, nur am Flügel begleitet von Chilly Gonzales, einem ausgebildeten Jazzpianisten.
Das Musical erzählt die Geschichte der letzten Woche im Leben Jesu Christi nach. Peaches singt alle Partien selbst – Jesus samt seiner Jünger, Maria Magdalena, König Herodes, die Pharisäer und natürlich Pontius Pilatus. Angesichts der Vielfalt der Charaktere des Stückes ein anspruchsvolles Unterfangen.
Requisite und Bühnenbild sind spärlichst, die Künstlerin selbst zieht sich nur zweimal um. Es darf bezweifelt werden, dass Jesus im weißen Gymnastikanzug mit überdimensionalen Kragen von seinen Jüngern ernst genommen worden wäre. Aber man merkt: hier steht Peaches Stimme im Fokus der Aufmerksamkeit. »Ungeschützt will ich mich dieser Aufgabe stellen ... Es ist eine Frage der Ausdauer und der Stimme.« Beides hat Peaches, muss sie doch ob fehlender Requisiten den unterschiedlichen Rollen ausschließlich durch ihren Gesang Leben einhauchen. Hilfe kommt nur einmal von Claqueuren, die aus dem Publikum Pontius Pilatus anfeuern, Jesus zu ermorden und nach dessen Kreuzigung auf der Bühne tanzen. An dieser Stelle blitzt das Explizite Peaches' bisheriger Aufführungen dann doch noch durch. Das Kreuz ähnelt sehr stark einem männlichen Geschlecht.
»Jesus Christ Superstar« wurde von Andrew Lloyd Webber und Tim Rice geschrieben und erstmalig 1971 in New York aufgeführt. Damals stieß die Rockoper auf den Widerstand radikaler christlicher Gruppen. Es ist anzunehmen, das dass auch »Peaches Christ Superstar« religiöse Befindlichkeiten wecken kann. Doch das bunt gemischte Publikum bedenkt die Künstler am Ende mit stehendem Applaus. Ein großer Erfolg für Peaches, die erst gar nicht sicher sein konnte, ob sie ihre Adaption der Rockoper überhaupt aufführen darf. So haben die Rechteinhaber des Stückes dem Hebbeltheater zunächst die Genehmigung verweigert, da sie mit der »unkonventionellen Form« der Inszenierung nicht zufrieden waren, wie die Sängerin Mitte Februar mitteilte. Zum Schluss ist man sich doch einig geworden. Peaches hat die Geschichte ohne gewohnten Pomp, aber mit einem feinen Gespür für die menschlichen Tragödien umgesetzt.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.