Pilotprojekt mit Hindernissen
Verantwortliche zogen Zwischenbilanz zum Modell Gemeinschaftsschule
Zumindest ein positiver Aspekt der Gemeinschaftsschule ist unumstritten. Zahlreiche Anmeldungen weisen auf eine hohe Akzeptanz von Seiten der Eltern hin. Darunter auch Bildungsbürger, die wollen, dass ihre Kinder Abitur machen, ohne dem Zeit- und Leistungsdruck an den Gymnasien ausgesetzt zu sein. Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) erklärte am vergangenem Samstag bei einer Podiumsdiskussion in der Reformschule Charlottenburg, er glaube fest an den Erfolg der Gemeinschaftsschulen. An diesen könnten Schüler optimal gefördert werden. »Doch der Beweis, dass das Modell funktioniert, wurde noch nicht vollständig erbracht«, meinte der Bildungssenator.
Dafür ist es wohl auch noch zu früh. Denn das Pilotprojekt nach skandinavischem Vorbild, das aus einer Initiative der Linkspartei hervorging, läuft erst seit dem Schuljahr 2008/09. Inzwischen sind in Berlin 20 Schulen freiwillig beteiligt. Dort sollen die Schüler individuell gefördert werden, niemand mehr sitzen bleiben und in heterogenen Klassen gelernt werden.
Inwieweit die Gemeinschaftsschulen zu mehr Chancengleichheit im deutschen Bildungssystem beitragen können, ist fraglich. Auch deshalb, weil die neue Schulform allein die soziale Segregation nicht überwinden kann. »Die Gemeinschaftsschulen haben einen Reformprozess begonnen, der in die richtige Richtung geht. Doch nicht alle Schulen sind in diesem Prozess gleich weit fortgeschritten«, erklärte Steffen Zillich, bildungspolitischer Sprecher der LINKEN. Als Beispiel nannte er die einst berüchtigte Rütli-Schule in Neukölln. Sie hätte eine schwierige Ausgangsposition.
Wie es in der alltäglichen praktischen Umsetzung des Projekts an einer Schule aussieht, weiß Jens Großpietsch. Er ist Leiter der Heinrich-von-Stephan-Gemeinschaftsschule in Tiergarten. Die Einrichtung galt früher als Problemschule. Heute kann hier das Abitur abgelegt werden, und die Schule genießt einen guten Ruf. Großpietsch hält Gemeinschaftsschulen für ein sinnvolles Projekt, warnt jedoch vor einem mühsamen Prozess. »In den Kollegien gibt es meist eine große Bereitschaft zu Reformen. Doch die Umsetzung bedeutet eine große Umstellung für alle Beteiligten«, gab er zu bedenken. Die Politik könne nur die Rahmenbedingungen schaffen. Entwickeln müssten sich die Schulen von innen, sagte Großpietsch.
Die Pilotphase ist bis 2013 genehmigt und als Übergang zu einer umfassenden Schulreform gedacht. Die Linkspartei fordert, die im Koalitionsvertrag mit der SPD getroffene Vereinbarung, dass das Pilotprojekt der Einstieg in die Gemeinschaftsschule sein soll, auch umzusetzen. »Am besten wäre es, die hierarchische Gliederung im Schulsystem abzuschaffen. Dies ist aber aus politischen und gesellschaftlichen Gründen derzeit nicht möglich«, zeigte sich Zillich zurückhaltend. Langfristig hofft er jedoch auf ein Schulsystem, das sich an den Grundpfeilern der Gemeinschaftsschulen orientiert.
Doch vor allem konservative und bildungsbürgerliche Gesellschaftsschichten wollen am Gymnasium und am mehrgliedrigen Schulsystem für Berlin festhalten. Dass sie in der Lage sind, Widerstand zu organisieren, zeigt sich auch an den Protesten gegen die Schulreform in Hamburg. Dort gibt es voraussichtlich im Sommer einen Volksentscheid.
Pilotprojekt Gemeinschaftsschule
- Das Projekt läuft seit dem Schuljahr 2008/2009 und ist zunächst bis 2012/2013 genehmigt.
- 20 Schulen in Berlin sind beteiligt.
- Die Schüler lernen von Klasse 1 bis 10 gemeinsam in heterogenen Klassen.
- Sitzenbleiben ist ausgeschlossen.
- Gemeinschaftsschulen befinden sich in unterschiedlichen Phasen der organisatorischen Realisierung.
- Die Schüler sollen in ihren Fähigkeiten individuell gefördert werden.
- Lehrkräfte sollen enger zusammenarbeiten, Eltern und außerschulische Partner eingebunden werden.
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