Arabiens Armenhaus wartet auf Hilfe
»Freundeskreis Jemen« berät in Abu Dhabi über Unterstützung für den Krisenstaat
Der Ausgangspunkt war London. Auf Vorschlag Italiens wurde dort bei einem Treffen am 27. Januar ein »Freundeskreis Jemen« gegründet, ein Zusammenschluss von westlichen Ländern und arabischen Staaten aus dem Golfkooperationsrat (Saudi-Arabien, Kuwait, Katar, Bahrain, Oman, Vereinigte Arabische Emirate). Das gemeinsame Ziel sollte sein, dem von einer schweren wirtschaftlichen Krise und innenpolitischen Konflikten erschütterten Land mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Die beteiligten Staaten, darunter auch Deutschland, sollen der jemenitischen Regierung helfen, radikale islamistische Kräfte aus dem Land zu verdrängen.
Seit einem missglückten Anschlag auf ein US-Passagierflugzeug Weihnachten 2009, der in Jemen vorbereitet worden sein soll, hat der Westen die jemenitische Halbinsel als neue Basis für Al Qaida ausgemacht. USA-Präsident Barack Obama erklärte, Jemens Sicherheit sei von »strategischem Interesse« für sein Land. Die Hauptsorge des Westens betrifft dabei weniger die Sicherheit der jemenitischen Bevölkerung, die mit vielen Problemen im »arabischen Armenhaus« zu kämpfen hat, als vielmehr den »Kampf gegen den Terror«.
Medienberichten zufolge soll in Abu Dhabi ungeachtet dessen über einen Finanzfonds beraten werden, der Jemen befähigen könnte, Armut und Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Bereits 2006 war auf einer Geberkonferenz (ebenfalls in London) eine Finanzhilfe in Höhe von 4,7 Milliarden US-Dollar beschlossen worden. Von dem Geld wurden bisher jedoch nur knapp zehn Prozent ausgezahlt. Wie der Geldfluss beschleunigt werden kann, will der »Freundeskreis Jemen« nun in Abu Dhabi beraten. Entscheidungen werden zu einem späteren Zeitpunkt von einem Treffen auf Ministerebene in Berlin erwartet.
Politische Beobachter in Jemen und Vertreter verschiedener Oppositionsgruppen sind derweil davon überzeugt, dass der Kern der politischen, sozialen und ökonomischen Probleme des Landes bei der Regierungsspitze um Präsident Ali Abdullah Saleh zu suchen ist. Trotz verbaler Zugeständnisse und Aufrufe zum Dialog ist es Saleh weder gelungen, das Land politisch zu einen, noch hat er einen ernsthaften Dialog mit den verschiedenen Gruppen aufgenommen. Der Regierung in Sanaa wird zudem auch von westlichen Geberländern wie Deutschland Korruption und Misswirtschaft vorgeworfen.
Jemenitische Medien und Oppositionsabgeordnete fragen sich derweil, warum die Regierung Saleh ein Komitee von Abgeordneten aufgelöst hat, dessen Aufgabe es war, den Waffenstillstand mit der Houthi-Bewegung in der Provinz Saada im Nordwesten des Landes zu überwachen, der im Februar einen jahrelangen Konflikt beendet hatte. Bisher habe das Komitee effektiv gearbeitet, berichtete die englischsprachige »Yemen Post«, nach einem Gefangenenaustausch zwischen beiden Seiten stünden lediglich die Kontrolle der Waffenübergabe und die Zerstörung von Landminen aus. Jemenitische Kommentatoren vermuten, dass Präsident Saleh die Kontrolle über Waffen und Landminen in den Händen von Militär und Regierung zentralisieren will. Seit Ende des bewaffneten Konflikts mit der Houthi-Bewegung kamen nach offiziellen Angaben in der Provinz Saada fünf Personen durch Landminen ums Leben. Die Zahl getöteter Minenopfer wird mit 5000 seit 1962 angegeben.
Rechtzeitig vor dem Treffen in Abu Dhabi hat das USA-Ministerium für Transport eine Al-Qaida-Terrorwarnung für Schiffe im Roten Meer, in der Meeresstraße Bab Al Mandab (zwischen Jemen und Djibouti) und im Golf von Aden herausgegeben. Präsident Saleh dementierte derweil erneut, dass USA-Militär in Jemen im Einsatz sei. Es gebe nur eine »Zusammenarbeit zwischen beiden Staaten in der Terrorismusbekämpfung«, und die sei durch internationale Vereinbarungen abgesegnet, sagte Saleh im arabischen Nachrichtensender »Al Arabiya«. Die Zahl US-amerikanischer Berater und »Experten« bezifferte Saleh auf »nicht mehr als 50«. Deren Aufgabe sei es lediglich, jemenitische Sondereinheiten auszubilden.
ND-Karte: Wolfgang Wegener
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