Verurteilung aufs Schärfste
Die Erklärung von vier Parteien gegen linke Gewalt sorgt in der LINKEN für eine Kontroverse – nützt oder schadet die eigene Unterschrift?
Pro: Ein richtiger Schritt
Von Wolfgang Hübner
Die Fraktionsvorsitzenden von SPD, Linkspartei, Grünen und CDU im Berliner Abgeordnetenhaus haben eine gemeinsame Resolution gegen linksextremistische Gewalt verabschiedet. Das ist ein begrüßenswerter Schritt – statt Gewalttaten zum Anlass zu nehmen, um daraus ein parteipolitisches Spektakel mit Vorwürfen, Unterstellungen und kurzatmigen Wahlkampfeffekten zu machen, sagen vier sehr unterschiedliche Parteien gemeinsam, wo für sie Grenzen in der politischen Auseinandersetzung liegen.
Man kannte das ja aus Berlin anders; aus der Frontstadt-Ära sowieso, aber auch aus den 90er Jahren, der Zeit der Vereinigung. Der Geist des Kalten Krieges wehte immer noch heftig, und Teile von CDU und FDP (vor allem aus der westlichen Stadthälfte) sorgten für ein Klima, das eher mit politischer Ausgrenzung als mit Integration zu tun hatte. Eine Erklärung wie die jetzt verabschiedete wäre in früheren Jahren undenkbar gewesen, weil Teile des konservativen politischen Spektrums nie etwas gemeinsam mit Linken unterschrieben hätten (erst nicht mit der Alternativen Liste bzw. den Grünen, dann nicht mit der PDS bzw. der LINKEN). Aus Prinzip nicht.
Dass bei politischen Fragen, die die demokratische Substanz der Gesellschaft berühren, jetzt Gemeinsamkeiten – wenn auch in Grenzen – möglich sind und öffentlich artikuliert werden können, ist ein Fortschritt. Er verwischt nicht die Unterschiede, die es gerade in der Innenpolitik, in Sicherheits- und Polizeifragen zwischen den beteiligten Parteien gibt. Die Erklärung bildet nicht mehr, aber auch nicht weniger als einen kleinsten gemeinsamen Nenner ab: Gewalt darf kein Mittel politischer Auseinandersetzung sein; sie richtet Schaden an, sie führt nicht zu politischen Ergebnissen, sie ist zu ächten. Wem das zu pathetisch klingt, der kann sich überlegen, wie es ihm selbst gefallen würde, wenn sich Andere anmaßen würden, sein Eigentum, seine Sicherheit, seine Gesundheit, seine Freiheit gewaltsam zu bedrohen oder sogar zu verletzen und das als politischen Akt auszugeben.
Es gibt genügend Möglichkeiten, sich in der politischen Auseinandersetzung zu Wort zu melden, sich für seine Überzeugungen einzusetzen. Diesen Weg zu gehen kann mühsam sein und langwierig, aber am Ende verspricht es mehr Erfolg als Brandsätze. Die verändern nicht die Gesellschaft, sondern nur die Polizeibilanzen und die Versicherungsstatistiken. Das auszusprechen ist keine politische Leistung. Es gemeinsam und parteiübergreifend auszusprechen allerdings schon. Den größten Sprung über ihren Schatten musste wohl die CDU tun; für sie wird es künftig unmöglich oder zumindest ungleich schwerer, Grüne und Linkspartei in die Nähe von Gewalttätern zu rücken. Für diese Parteien wiederum – für die LINKE stärker noch als für die Grünen – ist die Erklärung auch deshalb wichtig, weil das Engagement gegen rechte Gewalt nur dann glaubwürdig ist, wenn man auch Gewalt von der anderen Seite deutlich ablehnt. Das hat die LINKE als Partei auch bisher getan; es lässt sich nach dieser Erklärung nicht mehr ignorieren.
Man kann nur hoffen, dass die an der Erklärung beteiligten, ansonsten hart konkurrierenden Parteien sich noch daran erinnern, wenn der Wahlkampf in Berlin 2011 richtig begonnen hat. Es gibt in der Hauptstadt den stark vereinigungsbedingten Sonderfall, dass genau diese vier Parteien in einer Liga spielen. Jede von ihnen könnte stärkste Kraft werden. Das lässt einen scharfen Wahlkampf erwarten, in dem demokratische Grundsätze wie die jetzt fixierten dafür sorgen können, dass über die Probleme der Stadt Berlin gesprochen wird und nicht billige Polemik dominiert.
Kontra: Im falschen Bündnis
Von Tom Strohschneider
»Brandanschläge sind kriminell und kein Ausdruck politischen Handelns«, steht über dem Berliner Fraktionspapier, das von einer übergroßen Koalition von CDU bis LINKE getragen wird. Wer nicht umgehend in Beifall ausbricht, hat ein Problem. Die Aufforderung zur »klaren« Distanzierung und Verurteilung »auf das Schärfste« lässt jeden anderen Blick auf die »Brennende-Autos-Angelegenheit« zur Sympathiekundgebung geraten. Dabei ist der Aufruf nicht Antwort auf etwas, sondern er verhindert, dass weiter über die nötigen Fragen debattiert wird. Fragen, die zu stellen man mindestens von Linkspartei und Grünen erwartet hätte – statt sich in eine Wir-gegen-Die-Logik hineinziehen zu lassen. Der Aufruf ist Ergebnis einer politisch und verbal hochgerüsteten Auseinandersetzung mit Rot-Rot, bei der sich die »Distanzierungsorgie« (»taz«) von rechts nach links wie bei einer Art politischem Domino-Day fortsetzte.
Kieztaliban, rot lackierte Faschisten, linker Terror: Schlagworte einer Kampagne, die sich nicht nur gegen ein paar Militante richtete, sondern gegen die gesellschaftliche Linke insgesamt. Sie sollte auch jene Parteien treffen, die es sich – bisher jedenfalls – nicht so einfach machen wollten mit dem so genannten Linksextremismus. Die nach sozialen Hintergründen fragen und für die gesellschaftliches Handeln, selbst wenn es aus der Gesetzbuchperspektive als »kriminell« bewertet wird, nicht von vorn herein unpolitisch ist.
Wer ist eigentlich dieses Wir, das aus der »gemeinsamen Erklärung« spricht? Stimmt überhaupt, dass trotz aller Differenzen, wie es Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann formulierte, bei dem Thema »kein Blatt Papier zwischen uns« passe? Hallo Linkspartei, noch wach? Leute wie der Berliner CDU-Abgeordnete Robbin Juhnke lassen keine Gelegenheit aus, die Extremismuskeule auch gegen die LINKE zu wenden, wenn etwa beklagt wird, es werde »hingenommen, dass Abgeordnete der Linksfraktion lautstark gegen unser System protestieren, obwohl dieses System ihre parlamentarische Arbeit ermöglicht«. Was hieße denn, das nicht hinzunehmen? Verbot? Und was soll man von Äußerungen wie jener des SPD-Fraktionschefs Michael Müller halten, der die Autobrandstifterei termingerecht mit dem 1. Mai in Verbindung bringt und behauptet: »Wir wollen eine friedliche politische Auseinandersetzung.« Wer vor Ort war und die Polizei beobachtet hat, weiß, dass das eine Lüge ist.
CDU-Fraktionschef Frank Henkel hat nach der Vorstellung des Aufrufs noch einmal von den »großen Bedrohungsszenarios« gesprochen, die angeblich von radikalen Linken ausgehen. Wie groß ist die Gefährdung durch »linksextremistische Gewalt« wirklich? Was weiß die Politik über die Anschläge, von denen behauptet wird, »eine Vielzahl« sei »dem linksextremistischen Spektrum zuzuordnen«? Verurteilt wurde 2009 ein Autobrandstifter – bei ihm war kein politisches Ziel zu erkennen.
Der Aufruf dient einer Kampagne, die Nachlässigkeit suggeriert, wo es keine gab, und die darauf aus ist, das sicherheitspolitische Arsenal zu erweitern – nicht zuletzt gegen Linke. Man will kaum glauben, dass Linksfraktionschef Udo Wolf erklärte, Differenzen auch im Bereich der inneren Sicherheit seien hintenangestellt worden. Wie kann man Differenzen in dieser Frage beiseite lassen, wenn es genau um diese Frage geht? Meint die LINKE, es hätte ihr ohne diese Erklärung keiner abgenommen, dass sie brennende Mülltonnen nicht als Mittel politischer Auseinandersetzung befürwortet? Muss man über jeden Stock springen? »Kein brennendes Auto, kein Anschlag auf ein neues Gebäude löst ein einziges Problem dieser Stadt.« Richtig. Das gilt für diesen Aufruf ganz genauso.
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