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Sanieren in der Waldsiedlung ohne Hand und Fuß
Aus den ehemaligen Hausgärten der SED-Politbüromitglieder sind die Bronzeskulpturen entfernt worden
Mindestens 13 Skulpturen aus der Bernauer Waldsiedlung sind vor zwei Wochen von ihren angestammten Plätzen verschwunden. Darauf machte jetzt ein Leser das ND aufmerksam. Letztendliche Sicherheit über ihren Verbleib gibt es nicht.
Die Bronzeskulpturen standen dort, seit in den Jahren 1958 bis 1960 die Wohnsiedlung für SED-Politbüromitglieder und ihre Familien errichtet wurde. Bekanntheit erlangte der Ort in den Tagen der Wende unter dem Namen Waldsiedlung Wandlitz. Tatsächlich gehört das Gelände aber nicht zur Gemeinde Wandlitz, sondern zur Stadt Bernau. Heute befindet sich dort eine Klinik der Unternehmensgruppe Michels. Die Klinik ist nach Auskunft des Bernauer Kulturdezernenten Eckhard Illge für die Bronzeskulpturen zuständig. Sie verfüge über ein Erbbaurecht für das Areal.
»Wohin gehen die Kunstwerke?«, will der Leser wissen. Waren Schrottdiebe oder schlimme Pfuscher am Werk? Sachdienliche Hinweise seien weder von der Klinik noch vom Fremdenverkehrsamt zu erhalten gewesen. Patienten und Besucher beobachteten den Abbau und stellten die damit Beschäftigten zur Rede. Die sollen gesagt haben, dass die Figuren zum Restaurator gebracht werden. Aber der Leser schaute selbst nach und entdeckte, dass bei einer Skulptur noch die Füße auf dem Sockel stehen. Welcher Restaurator, welcher nur einigermaßen mit Kunstwerken vertraute Handwerker reiße eine derartig wertvolle Skulptur einfach von den Füßen ab? Hier scheine etwas faul zu sein.
Von der Klinik ist tatsächlich keine erhellende Auskunft zu bekommen. Geschäftsführer Kai-Uwe Michels befinde sich diese Woche im Urlaub, heißt es auf Nachfrage. Aber die Stadtverwaltung erkundigte sich schon vorher und erhielt die Information, dass die Figuren sichergestellt worden sind, um weiteren Beschädigungen vorzubeugen. Man sei davon ausgegangen, dass die Bronzeskulpturen »fachgerecht demontiert« worden sind, sagt Kulturdezernent Illge. Wenn an einer Figur die Füße abgerissen sind, dann sei dies selbstverständlich nicht fachgerecht. Offenbar sollen die Kunstwerke tatsächlich restauriert werden. Genaueres – zum Beispiel einen Zeitpunkt dafür – vermag Illge jedoch nicht zu sagen. Solche Bronzeskulpturen zu sanieren, sei »nicht ganz billig«. Die Stadt würde darüber nachdenken, dabei zu helfen, wenn darum gebeten wird, versichert der Dezernent.
Es fehlt jetzt unter anderem ein sitzender Akt, den der berühmte Bildhauer Fritz Cremer schuf. Diese Skulptur habe im Garten des Hauses von Günther Kleiber gestanden, erläutert Paul Bergner. Der Experte hat 1994 ein Buch über die Waldsiedlung verfasst und es immer wieder aktualisiert. Inzwischen ist die fünfte Auflage auf dem Markt.
Weg ist ebenfalls ein stehender Akt von Lore Plietzsch. Dieser stand im Garten von Werner Krolikowski. Ursprünglich gab es mehr als 13 Skulpturen auf dem abgeschirmten Gelände der Waldsiedlung. Etliche sind um das Jahr 1991 herum gestohlen worden, erinnert sich Bergner. Nicht alle seien wieder aufgetaucht.
Gleich mehrere Skulpturen stammen von Waldemar Grzimek, auch die Stehende mit den nun abgerissenen Füßen und der schon länger verschwundene Ruhende Tänzer, der hinter dem Haus von Günter Schabowski aufgestellt war. Der Künstler sei verwandt mit dem legendären Tierfilmer Bernhard Grzimek, erklärt Bergner. Waldemar Grzimek lebte seinerzeit in Westberlin. Er habe jedoch im Ostteil der Stadt eine Professur an der Kunsthochschule Weißensee gehabt und sei Vorsitzender der Kommission gewesen, die Kunstwerke für die Waldsiedlung aussuchte. Nur in wenigen Fällen handelte es sich um Auftragswerke. Zum großen Teil sei auf bereits in den Ateliers vorhandene Stücke zurückgegriffen worden. So sei eine Skulptur sogar schon in den 30er Jahren entstanden.
Die Skulpturen dienten nicht nur zur Ausgestaltung der Hausgärten. Es standen auch welche vor dem Schwimmbad, vor dem Laden oder auf dem Sportplatz. Einige sind nach den Erkenntnissen Bergners auch zwischendurch versetzt worden.
Neben den Skulpturen gab es noch weitere Kunstwerke, darunter eine Bronzetafel, ein Mosaik und ein Terrakottabild der Bildhauerin Ingeborg Hunzinger oder Putzkeramik von Heidi Manthey, außerdem handgeschmiedete Gitter sowie »wunderschöne Kleinplastiken, Gemälde und Zeichnungen in den Häusern«, wie Bergner in seinem Buch schreibt.
Paul Bergner: »Die WaldSiEDlung. Ein Sachbuch über ›Wandlitz‹«, FB-Verlag, 256 Seiten, 12,80 Euro, ND-Buchbestellservice, Tel.: (030) 297 81 77
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