Die Narben an den Bäumen
Das Todesmarschmuseum im Belower Wald wird mit einer Freiluft-Ausstellung wiedereröffnet
An Freitag um 14 Uhr wird im Belower Wald bei Wittstock eine einzigartige Freiluft-Ausstellung eröffnet: »Der Todesmarsch der Häftlinge des KZ Sachsenhausen im April 1945«. Dabei sein werden Überlebende.
»Sie lösten Rinde von den Bäumen, rieben diese, vermischten sie mit Regenwasser aus Pfützen und kochten daraus einen Brei«, erzählt Carmen Lange, die Leiterin des Todesmarschmuseums, und und zeigt auf eine kahle Stelle am Baumstamm. Vor 65 Jahren lagerten hier im Wald unter SS-Bewachung mehr als 16 000 KZ-Häftlinge. Sie kamen aus dem Konzentrationslager Sachsenhausen. Am Morgen des 21. April 1945 hatte die SS begonnen, das KZ zu räumen und 33 000 Häftlinge in 500er Kolonnen ohne Verpflegung in Richtung Nordosten zu treiben.
Im Belower Forst wurde ein Teil der Häftlinge in einem provisorischen Lager gesammelt. Sie mussten hier mehrere Tage und Nächte ohne Nahrung und Schutz bei nasskaltem Wetter verbringen. Erst am 29. April wurde dieses Lager wieder aufgelöst und die Häftlinge wurden in Richtung Schwerin weiter getrieben. Zurück blieben die, die nicht mehr aufstehen konnten.
1965 wurde ein erster Gedenkstein errichtet. 1975 entstand eine Gedenkstätte. 1992 gab es erste Anregungen zur Umgestaltung. Dann wurde die Idee geboren, mit der Ausstellung ins Außengelände zu gehen.
Stelen aus Glasmaterial schimmern bläulich in der Sonne. Arbeiter erledigen gerade die letzten Handgriffe zur Befestigung der Glasplatten auf Sockeln. Die Stelen sind transparent, geben den Blick von der Wiese in den nahen Wald frei. Auf den Stelen wird von Leid und Angst erzählt, aber auch von der Hoffnung der Häftlinge während ihres Marsches ins Ungewisse, illustriert mit Zeichnungen und Fotos. »Wir arbeiten nicht das erste Mal mit Glasplatten. Wir halten diese Gläser an historischen Orten für sehr angemessen«, erklärt der Berliner Architekt Martin Bennis, der mit dem Grafiker Berthold Weidner und Reinhard Eicher von den ausführenden Eicher-Werkstätten zusammenarbeitete. »Wir haben in diesen Gläsern ein Lichtspiel, man sieht Schattenwürfe durch. Es ist ein mehrschichtiges Glas, das die Siebdrucke schützend einschließt. Ich halte es für eine geeignete Art, zeithistorische Informationen an einem historischen Ort im Außenraum unterzubringen. Im Vergleich zu Edelstahl oder Beton verbindet sich das Glasmaterial besser mit dem Umfeld. Glas hat eine eigene Wirkung.«
Die Ausstellung führt von der historischen Kopfsteinpflasterstraße kommend, ein wenig wie im Labyrinth, aber gleichsam zielgerichtet, durch die Etappen der Todesmärsche, um dann scharf nach rechts über einen Steg direkt in den Gedenkwald zu gelangen. Fast am Ende des Ausstellungsplateaus entsteht eine klimatisierte Außenvitrine. Sie wird im Wald gefundene Gegenstände der Häftlinge beherbergen. »Die historischen Fundstücke aus dem Wald sind der Drehpunkt von dem Ausstellungsplateau in den Wald hinein«, erläutert Bennis. »Die Vitrine ist der Ausgangspunkt des Steges in den Wald, die Wegeverbindung.«
Gleichsam symbolisch führt der Steg nicht nur von der Ausstellungsplattform in den Wald, sondern ist auch eine Brücke über Grenzen. Die Gedenkstätte liegt im Land Brandenburg, die neue Außenausstellung in Mecklenburg-Vorpommern. Im Wald erleichtern weitere Stelen das Auffinden der Häftlingsspuren. Der Pfad endet an einem Gedenkstein und führt weiter zur neu gestalteten Gedenkstätte, die nunmehr zu einer vielseitig nutzbaren pädagogischen Projektwerkstatt umgebaut ist.
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