»Schätze heben« im Lebensraum
Wanderausstellung »HUMBOLDTFOTO« machte sich auf den Weg
Weniger die abgelichteten Bauten hätten es ihm besonders angetan, sondern vielmehr die Menschen, gestand der Präsident der Humboldt-Universität zu Berlin und Schirmherr der Ausstellung »HUMBOLDTFOTO«, Christoph Markschies, bei deren Vernissage im Abgeordnetenhaus. Seine Favoriten seien die in einer Galerie aufgereihten neun Dekane – zwei Damen und sieben Herren. Mit ihnen errang der Fotograf Andreas Schöttke den 1. Preis.
Dies war es aber nicht, was den Präsidenten zu seiner Huldigung bewog, zumal die allgemein hohe Qualität der 65 präsentierten Arbeiten nicht einmal eine sichere Unterscheidung zwischen Profis und Laien zulässt. Markschies ging es um den Wandel der Ansicht bei näherer Betrachtung. Auf den ersten Blick wirkten die Abgebildeten ernst, zerfurcht und müde, befand er. Dann aber könne der Betrachter mit geschärfter Aufmerksamkeit »viele Facetten« entdecken.
Da machte dann der Chef einen »trotzigen Blick in die Ferne« aus, schloss aus einem versonnenen Lächeln auf des Wissenschaftlers »Einsamkeit und Freiheit«, auch unter schwierigen Bedingungen zu forschen. Bei dem juristischen Dekan schließlich versagte dann aber wohl doch der Wille zum Optimismus und er unterließ den Versuch, ihn wenigstens hineinzudeuten. Das Forschungsgebiet dieses Wissenschaftlers seien halt Staatskonkurse, da wären Heiterkeit und Lächeln ja wohl »sehr irritierend«, entschuldigte der Präsident den Dekan und irgendwie sich selbst.
Eine Möglichkeit der Annäherung an die Bilder »Vom Forschen, Arbeiten und Leben an der Humboldt-Universität zu Berlin« hatte er damit freilich doch offenbart. Der Fotowettbewerb und sein Resultat zielten auf Alltag und Alltägliches, Ungewöhnliches und Überraschendes, stille Einsichten und Trubel. Die Betrachter vor den Bildtafeln werden sie finden oder müssen sie nur entdecken – wie eben auch den von einer Lampe gespendeten Heiligenschein über dem Haupte eines der schon erwähnten Dekane.
Kritisch, skeptisch und fast ein wenig ironisch wirkt da der Blick eines behaarten Vorfahren. Auf dem Foto »Hominide« von Carola Radke blickt er aus seinen braunen Augen auf einen menschlichen Schädel. Auf gleicher Augenhöhe. Joab Nist hat vor dem Hauptgebäude Fahrräder abgebildet, vielleicht eines Tages Anfang. Dessen Ende sieht Julian Risch als einen Blick durch die Tür mit einem bunten Riesenrad vor abendlichem Hintergrund. Dazwischen reihen sich viele Ansichten, erwartungsgemäß auch von Bibliotheken. Manches Detail lädt zur Suche und einem Wiederentdecken ein. »Schätze heben« hat Diana Welke zwei ihrer ausgestellten Arbeiten genannt, das könnte das Motto sein.
Im 200. Jahr der Humboldt-Universität hat sich diese Auswahl der 425 eingereichten Bilder von 73 Studierenden, Uni-Mitarbeitern sowie Amateuren und Profis zu den Betrachtern als Wanderausstellung auf den Weg gemacht.
Bis 28. 4. Abgeordnetenhaus, Niederkirchnerstraße 5, Mo.-Fr. 9-18 Uhr, 22. 4. nur bis 12 Uhr; 4.-15. 5. und 1.-17. 7., Campus Adlershof, Rudower Chaussee 26; 20.-29. 5. Potsdamer Platz Arkaden, Alte Potsdamer Str. 7, Mo.-Sa. 9-21 Uhr; 1.-29.6., Campus Adlershof, Walter-Ernst-Haus, Newtonstr. 14
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