Das Papst-Bier geht noch ganz gut weg
In Marktl, dem Geburtsort Joseph Ratzingers, hat sich die Zahl der Besucher seit 2006 halbiert
Marktl. Drüben im Oberbräu, gegenüber vom Geburtshaus des Papstes, da sorgt das Geschmiere nur für ein Achselzucken. »Das war doch beim Besuch vom Benedikt 2006 auch schon so, dass da einer Farbbeutel aufs Haus geworfen hat«, sagt einer am Stammtisch. Und diesmal? »Ja mei, jetzt ist die Festwoche zum Fünfjährigen, da hat halt wieder einer einen Anlass gefunden.« Dass die Anfang der Woche rasch übertünchte obszöne Schrift am Papst-Geburtshaus womöglich ein Protest wegen des Missbrauchskandals der katholischen Kirche war, glauben sie nicht in Marktl. Dort hat der Papst viele Bewunderer, wenn auch die Zahl der Touristen rapide abgenommen hat. Nachdem Joseph Ratzinger am 19. April 2005 zum Nachfolger von Johannes Paul II. ausgerufen worden war, hatte ein riesiger Zustrom auf Marktl und dessen 2700 Einwohner eingesetzt.
Fast nur noch Senioren
Im ersten Jahr waren es über 200 000 Besucher, im Jahr darauf auch. Die kleine Gemeinde mit ihrer bis dahin beschaulichen touristischen Infrastruktur griff tief in die Tasche, um den Ansturm zu bewältigen. Unter anderem wurden viele Parkplätze gebaut. Inzwischen hat das Interesse nachgelassen. »Es ist viel ruhiger geworden«, sagen sie beim Wirt im Oberbräu, beim Bäcker oder in der Touristeninformation. Die meisten Gäste sind Senioren, sie bleiben nur kurz, Hauptziel ist der nahe Wallfahrtsort Altötting.
Marktls Bürgermeister Hubert Gschwendtner sagt, dass es 2009 noch knapp 100 000 Menschen waren, die nach Marktl kamen. Weniger als die Hälfte als früher. Der Sozialdemokrat glaubt, dass einfach zu Beginn die Neugierde viel größer gewesen sei und es inzwischen eine gewisse Sättigung gebe. Dennoch stehe Marktl doch wunderbar da, immerhin seien 100 000 Gäste noch immer hundert Mal mehr Touristen als vor der Papstwahl. Auch der spöttisch als »Vermarktln« bekannt gewordene Handel mit Papst-Souvenirs funktioniert noch einigermaßen, vor allem das Papst-Bier wird von Touristen gerne gekauft. Gschwendtner will auch nicht daran glauben, dass etwa der Streit um die aufgehobene Exkommunikation des Holocaust-Leugners Bischof Williamson oder der Missbrauchskandal die Menschen vom Marktl-Besuch abhalten könnte.
Sieben Mal nach Rom
»Der Papst ist über jeden Vorwurf erhaben«, sagt der Bürgermeister. Gschwendtner, der vor der Wahl Ratzingers ein normaler Kirchgänger war, ist inzwischen zum Benedikt-Anhänger geworden. Sieben Mal war Gschwendtner seit der Wahl schon in Rom, zuletzt im November hätten er und der Pfarrer dem Heiligen Vater persönlich einen Prospekt des renovierten Geburtshauses gezeigt.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.