»Ministerrentenoptimierung«

Kabinettsumbildung in Niedersachsen: Abschied ins Ruhegehalt

  • Michael Fleischmann, Hannover
  • Lesedauer: 2 Min.
Nach gerade einmal der Hälfte der Legislaturperiode hat der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) vier der sieben CDU-Minister in zentralen Bereichen der Landespolitik ausgewechselt. Dieses Eingeständnis einer verfehlten Regierungspolitik kostet Steuergelder und lässt seine Fraktion schlecht aussehen.

Den Zeitpunkt für die Umbildung des Kabinetts in Niedersachsen hat Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) umsichtig gewählt. Von den ausscheidenden vier Ministern erhalten drei ein volles Ruhegehalt im Alter, weil sie jetzt die dafür notwendigen sieben Dienstjahre abgeleistet haben. Elisabeth Heister-Neumann war vor ihrer zweijährigen Tätigkeit als Kultusministerin fünf Jahre Justizministerin. Hans-Heinrich Ehlen war sieben Jahre Agrarminister und Lutz Stratmann sieben Jahre Wissenschaftsminister. Nur Mechthild Ross-Luttmann hat als ehemalige Sozialministerin die volle Altersversorgung knapp verpasst. LINKE-Fraktionschef Manfred Sohn nennt den Vorgang deshalb eine »Rentenoptimierung für Minister«.

Verheirateten Ministern ohne Kind winken nach Angaben der Staatskanzlei nach sieben Dienstjahren im Alter jeden Monat rund 3932 Euro. Das sei ein Richtwert, der mit Versorgungsansprüchen aus dem Beamtenversorgungsgesetz oder dem Abgeordnetengesetz verrechnet werde, sagt ein Sprecher und verweist auf Einzelfallprüfungen. Auch die vier neuen Minister, die kommende Woche im Landtag vereidigt werden sollen, haben möglicherweise eine Chance auf ein Ruhegehalt. Sollten Sie eine Dienstzeit von zwei Jahren und 274 Tagen erreichen, winken nach Angaben des Staatskanzleisprechers im Alter pro Monat rund 2313 Euro. Dieser Richtwert gelte wieder für verheiratete Minister ohne Kind.

Bemerkenswert ist, dass keiner der neuen Minister der jetzigen CDU-Fraktion im Landtag angehört. Christian Wulff hält anscheinend kein einziges Mitglied seiner Fraktion für die Ministerjobs geeignet. Abgeordnete, die sich Hoffnungen auf einen Posten gemacht hatten, sind leer ausgegangen. Eine Ausnahme ist der bisherige Staatssekretär und zukünftige Kultusminister Bernd Althusmann, der früher einmal der Fraktion angehörte. Das neue Personal von außerhalb dürfte deshalb in der CDU für Diskussionsstoff sorgen, was der Ministerpräsident auf einer Pressekonferenz indirekt einräumen musste – zumal die neue Sozialministerin und bisherige Hamburger Bürgerschaftsabgeordnete Aygül Özkan auch als Signal an die Grünen gedacht sein kann. Die schiitische Muslimin übernimmt als erste türkischstämmige Ministerin in Deutschland den Integrationsbereich von Innenminister Uwe Schünemann, der als Hardliner bisher eine rigorose Abschiebepolitik durchgesetzt hat.

Die Grünen lehnen offiziell schwarz-grüne Gedankenspiele ab. Fraktionsvize Gabriele Heinen-Kljajic begrüßt zwar die Berufung von Aygül Özkan, sieht aber »im Moment« keine Basis für Schwarz-Grün in Niedersachsen und verweist auf »diametral entgegengesetzte Positionen« in der Bildungs- und Energiepolitik.

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