Verlegenheitslösung wurde Lehrstück
Bildungskonvent in Sachsen-Anhalt auf der Zielgeraden / Einigung zu Schulsystem offen
Der Konvent begann als Verlegenheitslösung: Weil sich die Koalitionspartner CDU und SPD im Jahr 2006 zwar über viele Fragen einigen konnten, beim Thema Schulpolitik aber uneins blieben, befolgten sie die gängige Maxime: Wenn ich nicht mehr weiter weiß, gründe ich ´nen Arbeitskreis. Im Dezember 2006 beschloss der Landtag in Magdeburg, den Bildungskonvent ins Leben zu rufen; sieben Monate später nahm das Gremium, dessen 37 Mitglieder aus Parteien, Kommunen und Gewerkschaften, Schulen und Kirchen, von Eltern, Lehrern und Schülern kommen, seine Arbeit auf.
Wenn sich heute etliche Arbeitsgruppen zum voraussichtlich vorletzten Mal treffen, dürften manche Mitglieder das indes fast ein wenig bedauern. Der Konvent sei inzwischen ein Musterbeispiel dafür, wie man auf einem strittigen Politikfeld »Entscheidungsprozesse auf eine breite Grundlage stellen« kann, sagt Stephan Dorgerloh, Ex-Direktor der Evangelischen Akademie und neben dem CDU-Landtagspräsident Albrecht Spotka Moderator des Konvents. Und Birke Bull, die für die Linksfraktion im Gremium sitzt, spricht vom Konvent gar als einem »Lehrstück für die Demokratie«.
Diese Einschätzungen gilt auch oder gerade, weil sich die Diskussion teilweise äußerst zäh gestaltete. Der anfangs für zwei Jahre eingesetzte Konvent musste die Option einer einjährigen Verlängerung in Anspruch nehmen. Inzwischen aber hat man sich auf Handlungsempfehlungen für so wichtige Felder wie die frühkindliche Bildung geeinigt. Oberster Ratschlag: Jedes Kind solle den Anspruch auf Ganztagsbetreuung in einer Kita haben. Genau davon hatte sich einst die schwarz-gelbe Vorgängerkoaliton mit Rückhalt der SPD verabschiedet. Bull, deren Partei die Rückkehr zur Ganztagsbetreuung propagiert, ist höchst zufrieden: »Wir können uns jetzt auf die Empfehlung des Konvents berufen.«
Ob ähnliches auch für eine andere Frage gilt, die in der Öffentlichkeit zum Gradmesser der Konvent-Bilanz hochgespielt wurde, könnte sich heute zeigen. Es geht um das künftige Schulsystem und ein mögliches längeres gemeinsames Lernen. Derzeit trennen sich auch in Sachsen-Anhalt die Wege der Sekundarschüler und Gymnasiasten nach Klasse 4. SPD und die LINKE streben an, dass sich die Laufbahnen erst später verzweigen; CDU und FDP halten dagegen am gegliederten System strikt fest. Es gebe »sehr feste ideologische Positionen«, formuliert Dorgerloh.
Wenn heute eine Arbeitsgruppe zur Schulreform tagt, berät sie indes nicht über Vorschläge der Parteien, sondern ein Papier, das die Vertreter der Kirchen und Arbeitgeber erarbeitet haben. Über Detais wird offiziell nicht gesprochen; man habe sich auf Verschwiegenheit geeinigt, damit der Vorschlag »nicht zerredet« wird, erklärt der Moderator. Dem Vernehmen nach wird in dem Papier immerhin die Absicht formuliert, das Schulsystem für das längere gemeinsame Lernen »zu öffnen« – eine Formulierung, die nicht zuviel verspricht, CDU-Vertretern aber offenbar immer noch zu weit geht. Erwartet werden Versuche, den Satz zu kippen. Dann wäre freilich unklar, ob auch dieses Papier bei der nächsten Sitzung des Konvents am 26. Juni die nötige Zweidrittelmehrheit findet.
Offen ist inzwischen auch, ob die Zusammenkunft wirklich die letzte ist. Mitglieder des Konvents halten es dem Vernehmen nach für sinnvoll, diesen als eine Art ständiges Beratungsgremium zu etablieren – eine Idee, der auch Bull viel abgewinnen kann: »Er gestaltet Politik transparent, führt Praktiker zusammen und hilft auch der Kultusbehörde.« Und Dorgerloh regt sogar an, das Modell auch auf andere Themen anzuwenden, bei denen sich unversöhnliche Lager gegenüberstehen: »Ein Konvent zum Ausbau der Elbe wäre sinnvoll.«
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