Feier des weiblichen Körpers
Johannes Beutner – eine Retrospektive im Stadtmuseum Pirna
Eine umfassende Retrospektive im Stadtmuseum Pirna ist dem Dresdner Maler Johannes Beutner gewidmet. 1890 als Sohn eines Schmiedemeisters in Cunnersdorf in der Sächsischen Schweiz geboren, erhielt er ab 1903 privaten Zeichenunterricht bei Richard Müller. Die Goldmark für zwei Stunden Unterweisung bei diesem unerbittlichen Präzeptor des Naturstudiums waren gut angelegt. Hier wurde das zeichnerische Gerüst errichtet, das den weichen und lieblichen Frauendarstellungen der späteren Jahre die nötige Festigkeit gibt. Müller erwirkte dem talentvollen und strebsamen Jüngling 1905 die vorzeitige Aufnahme an die Akademie. Aber aus wirtschaftlichen Gründen endete das Studium schon nach wenigen Monaten.
Vielleicht auch, dass der praktische Vater es mit der künstlerischen Freiheit nicht übertreiben wollte. Jedenfalls schob sich zwischen seine Berufung erst die Berufsausbildung als Farbätzer im reproduktiven Gewerbe. Zwei Kollegen begeisterten ihn dort für den Radsport. So wurde Beutner nebenbei zu einem Radrennpionier, der viele Preise davontrug, bis er 1910 bei einem Sturz beinahe um Leben kam. Dank verständnisvoller Förderung durch Vorgesetzte vervollkommnete er sich darauf im Handwerk und konnte schließlich die Leitung der Farbätzerei übernehmen.
Mit Reproduktionen nach Werken der Dresdner Gemäldegalerie erwirbt er sich einen Ruf, der ihm eine Einladung zur Tätigkeit im Louvre einbringt. Als er die Fahrkarte schon in der Tasche hat, wirbelt der Kriegsausbruch 1914 alles durcheinander. 1920 dann findet sich Beutner wiederum als Kunststudent an der nunmehr »Staatlichen Kunstakademie« wieder.
Otto Hettner und Ludwig von Hofmann sind seine Lehrer. Als Meisterschüler des Letzteren wird er von Studiengebühren befreit. Den Anerkennungspreis der Akademie, der eigentlich eine längere Arbeitsphase gestatten sollte, frisst die Inflation auf. Bei diesen materiell entwerteten, aber ideell bedeutungsvollen Ehrungen entschließt er sich 1924 für das Leben eines freischaffenden Künstlers.
Das expressionistische Pathos war ein Fanfarenstoß, auf den, nach dem Abtritt der alten Figuren, nicht nur die Bühne leer blieb, dazu ging auch noch die Beleuchtung aus und es wurde kalt im Saal. Die Folge dieser Krisis war die Hinwendung der internationalen Künstlerschaft zu unaufgeregten, haltbareren Gestaltungsprinzipien. In der Musik bekunden Strawinsky, Hindemith, Schostakowitsch und Gerhard Frommel die Neigung zu einer »Neuen Klassik«. In Dresden war 1925 die Mannheimer Ausstellung »Neue Sachlichkeit« im Sächsischen Kunstverein zu sehen. Die Werke der »Valori Plastici« um Carra, de Chirico und Morandi lernte Beutner während seines Rom-Aufenthaltes Januar bis März 1931 kennen. Deren klassischer Gehalt und die verwandte Monumentalisierung des Schlichten bei Georg Schrimpf werden ihn stärker angesprochen haben als der sozialromantische Verismus.
Den Aufenthalt in der Villa Massimo hat ihm Max Liebermann vermittelt. So wesentlich das Italien-Erlebnis für seine zeitlosen und feierlichen Frauengestalten gewesen sein mag, die dort entstandenen Landschaften, soweit erhalten oder dokumentiert, gehören nicht zu seinen besten Werken. Wie überhaupt den Landschaften und Stillleben etwas Linkisches und Modellbauhaftes eignet: »Via Appia« (1931), »Frühling in Tanneberg« (1943). Er hat auch das nicht ausgelassen, aber seine Domäne war die Feier des weiblichen Körpers, und wo die Landschaften und die Gegenstände Hintergründe für Figuren abgeben, verstärken sie die Wirkung, so bei »Wäscherinnen, »Gärtnerin« (beide 1952), »An der Elbe bei Wachwitz« (1947) und »Zeitungsverkäufer«.
1932 schlägt er eine Professur, die ihm in Königsberg angeboten wird, aus. Seit den dreißiger Jahren findet er Rückhalt in dem Künstlerfreundeskreis »Die sieben Aufrechten«. Ein lockerer Bund biederer Nonkonformisten, dem u.a. Hans Jüchser, Karl Kröner und Paul Wilhelm angehören. Die Heimatliebe und Lebenszugewandtheit verbindet sie mehr als eine künstlerische Programmatik es vermöchte. Charakteristisch für diese Gefährtenschaft ist auch die professionelle Entschiedenheit, mit der sie ihren Steckenpferden obliegen: Blumenzucht, Bergsteigerei, Skilanglauf oder eben Radsport. 1933 stellen sie als Gruppe in der Chemnitzer Kunsthütte aus. Bis an das Lebensende bleibt dieses Mikroklima allen Beteiligten wichtig.
Da ein befreundeter Unternehmer Beutner für die Produktion reklamiert, bleibt ihm ein zweiter Kriegsdienst erspart. Seit 1943 ist er mit seinem Modell verheiratet. Die Gefährdung hat noch einmal die Wahrnehmung für das Wesentliche und Naheliegende geschärft: Familie, Freunde, Heimat. In Vitrinen sind die Skizzen nach seinen Söhnen und seiner Frau ausgebreitet. Für die Deutschen Werkstätten Hellerau entwirft Beutner eine ganze Reihe kostbarer Holzintarsien-Bilder als Wand- und Möbelgestaltungen. Eine orientalisch wirkende Säule aus Glasmosaik steht heute noch verloren vor dem geschlossenen Café Prag am Altmarkt. Der Entwurf und ein Modell sind in Pirna ebenfalls ausgestellt. Bei Beutner haben diese Brotarbeiten tatsächlich Werkcharakter, da sich seine dekorative Bildauffassung in ihnen eigentümlich entfaltet. Einen agitatorisch gemeinten Bildauftrag für die Ausstellung »Künstler schaffen für den Frieden« 1951 erfüllt er in wenigen Wochen. Auf dem zeittypischen Gruppenbild »Diskussion« wirken die Personen bedachtsam, ratsuchend, unaufgeregt und abwägend. Statt revolutionärem Pathos wirkt die geheimnisvolle Stille des kreatürlichen Daseins. Alle fünf Frauen tragen die Züge seiner Hilde.
Johannes Beutner, 1890-1960, Leben und Werk. Stadtmuseum Pirna, Klosterhof 2/3, bis 9. Mai, Di-So 10-17 Uhr, Katalog
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