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Auf Augenhöhe mit dem Ministerpräsidenten

FDP-Spitzenkandidat Andreas Pinkwart gilt als ebenso machtbewusster wie privatisierungsfreudiger Ressortleiter

  • Marcus Meier
  • Lesedauer: 4 Min.
Keine schlechte Karriere für einen biederen Hochschullehrer: Andreas Pinkwart gilt als einer der wichtigsten Strategen und mächtigsten Männer der FDP. Inhaltlich steht er für Studiengebühren, Steuersenkungen und Atomforschung. Am 9. Mai könnte der NRW-Innovationsminister aber sein Amt verlieren.

Andreas Pinkwart gilt als selbstbewusst. Das ist gewiss nicht übertrieben: Angst vor hohen Tieren hat der Liberale offenbar nicht. »Wir arbeiten auf Augenhöhe«, sagt er über sein Verhältnis zu NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU). Im Februar forderte er seinen Parteichef Guido Westerwelle auf, die Verantwortung für die Partei zu teilen. »Die Parteiführung ist stärker im Team gefordert. Die FDP muss mehr Gesichter in den Vordergrund stellen.« Dass Pinkwart dabei wohl auch an das eigene Gesicht dachte, wurde deutlich, als er »einige Landespolitiker« für eine größere Rolle empfahl. Nicht zuletzt aber trotzte er Jürgen Möllemann den Landesvorsitz der FDP ab. Dass er dabei nur milde Kritik an Möllemanns antisemitischen Ausfällen übte, kann wahlweise als obszön oder taktisch klug bewertet werden. »Das Überwiegende, was Möllemann gemacht hat, war positiv«, konstatierte Pinkwart zu einem Zeitpunkt, als andere Liberale, darunter Otto Graf Lambsdorff, schwere Attacken gegen Möllemann ritten.

Pinkwart, 49, ist Landes- und stellvertretender Bundesvorsitzender der FDP. Er gilt als einer der einflussreichsten Strategen seiner Partei. Er amtiert als Minister für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie und ist Stellvertreter des Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers. In die Landtagswahl am 9. Mai führt Pinkwart die FDP als Spitzenkandidat. 2005 hatte er noch dem heutigen NRW-Innenminister Ingo Wolf den Vortritt lassen müssen. Keine schlechte Karriere für einen »biederen Hochschullehrer« (»Die Welt«). Dass Möllemanns »anti-israelische« Flugblätter mit illegalen Parteispenden finanziert wurden, überstand Pinkwart unbeschadet. Dabei gehörte er im fraglichen Zeitraum dem geschäftsführenden Landesvorstand seiner Partei an.

Für Marc Mulia, Mitglied im Bundesvorstand und Landtagskandidat der LINKEN, ist Pinkwart »vor allem der Studiengebührenminister«. Pinkwarts Gebührenmodell sei »besonders perfide«, weil es den Hochschulen selbst »den Schwarzen Peter zuspielt«. Von Pinkwart knapp gehalten, müssten die Unis »eigenverantwortlich« Gebühren erheben. Junge Leute aus finanziell schwachen Familien würden so vom Studieren abgehalten, moniert der LINKE- Bildungspolitiker. Ins gleiche Horn bläst der DGB: »Die soziale Spaltung prägt das Bildungssystem NRWs in wachsendem Ausmaß«, so das Ergebnis einer Gewerkschafts-Studie. Auch die Studenten selbst machen im Wahlkampf wieder einmal mobil gegen Studiengebühren. In der vergangenen Woche gingen Zehntausende in NRW-Städten auf die Straße. Pinkwart ficht das nicht an: Ein Gebührenverzicht würde das »Studium schlecht« machen, glaubt der Liberale. Die »Beiträge« würden weder »abschreckend noch sozial selektiv« wirken. Doch in NRW studiert ein im Ländervergleich kleiner Teil der Abiturienten. Zudem werden zwischen Rhein und Ruhr besonders wenige Studierende von Gebühren befreit. Hier müssen besonders viele erwerbstätig sein – oder auf Kredite zurückgreifen. Pinkwart plädiert dafür, die Bildungsausgaben in Bund und Ländern um 25 Milliarden Euro pro Jahr zu erhöhen. Am Wochenende verabschiedeten die Liberalen auf ihrem Bundesparteitag in Köln aber ein neues Steuerkonzept, dass den Staat 16 Milliarden Euro pro Jahr kosten würde.

Innovationsminister Pinkwart gilt als Befürworter neuer Atomkraftwerke – sofern die Technik dafür in NRW entwickelt wird. Ganz im Sinne des deutschen Atomforums und anderer Pro-Atom-Lobbyisten betont Pinkwart das angebliche Klima-Schutz-Potenzial der gefährlichen Kraftwerke. Dabei setzt er vor allem auf »Forschungskompetenz« aus NRW und insbesondere die »Erkenntnisse, die Nordrhein-Westfalen in der Vergangenheit mit dem THT-Reaktor gewonnen« habe. Der Thorium-Hochtemperatur-Reaktor (THTR) im Hamm-Uentrop, auf den Pinkwart sich bezieht, war 1986 in die Schlagzeilen geraten. Eine »Kette von Pannen, wie sie sich kein Ingenieur hatte ausdenken können« (Der Spiegel) führte zum Austritt einer radioaktiven Wolke. Die Betreiber versuchten damals, den Vorfall zu vertuschen. Minister Pinkwart hält die Risikotechnologie dennoch für unverzichtbar.

Nach Wahlniederlage zurück an die Uni?

Derzeit dümpelt die FDP zwischen fünf und acht Prozent herum, die schwarz-gelbe Mehrheit ist fort, eine Ampelkoalition aus SPD, FDP und Grünen unwahrscheinlich. Wenn wirklich alle Stricke reißen, wird Andreas Pinkwart seine Professur an der Uni Siegen wieder antreten müssen. Es wäre der Schritt von der Praxis zur Theorie: Pinkwart lehrte und forschte insbesondere zum Thema »New Public Management«. Dabei geht es um die Übernahme privatwirtschaftlicher Management-Prinzipien im staatlichen Handeln, um den Rückbau des Staates, um Kostenersparnis.

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