Die Bundespolizei im Abflug
Beamte werden von der polnischen Grenze an Flughäfen in Westdeutschland abgeordnet
Bei der Bundespolizei hat sich viel verändert, und sie soll weiter umorganisiert werden. Der Landtagsabgeordnete Jürgen Maresch (LINKE) sieht dabei eine Menge Probleme. Bevor er am 27. September vergangenen Jahres seinen Wahlkreis in Cottbus gewann, war er selbst bei den Bundespolizei beschäftigt – zuletzt im Rang eines Ersten Polizeihauptkommissars.
Zunächst einmal sieht Maresch durchaus vernünftige Veränderungen. Die Kontrollen an der polnischen Grenze sind weggefallen, als der Nachbarstaat vor einigen Jahren der EU beitrat. Das befürwortet der Landtagsabgeordnete. »Wir sind ein Europa«, betont er und erzählt von einem Besuch im polnischen Bialystok, das an der Grenze zu Weißrussland liegt. Dabei habe er sich davon überzeugen können, dass sich die Kollegen von der polnischen Grenzpolizei alle Mühe geben, die EU-Außengrenze zu sichern, »und sie sind der Aufgabe gewachsen«.
Die Bundespolizei verlegte ihre Kontrollen indessen ins Hinterland. Dort stoppt sie Fahrzeuge, um Schleuserbanden zu ertappen. Der Zoll hält es bei seiner Suche nach Drogenkurieren und Zigarettenschmugglern ähnlich. Zunächst beschwerten sich Bürger in Ostbrandenburg, dass sie nun so oft angehalten werden. Das sei ihnen lästig gewesen, erzählt Maresch. Doch inzwischen sei die Stimmung gekippt. Nun höre er den Vorwurf, dass viel weniger Streifenwagen auf den Straßen zu sehen seien als früher. Das subjektive Sicherheitsgefühl habe gelitten, meint Maresch, und er weiß den Grund dafür.
Bundespolizisten werden für jeweils drei Monate aus den Grenzregionen abgezogen und an Bahnhöfe und Flughäfen in den Ballungszentren geschickt, um die dortigen Einsatzkräfte zu verstärken. Von den 400 Beamten aus Forst beispielsweise seien regelmäßig mindestens 50 bis 60 an westdeutsche Airports abgeordnet. Wer verheiratet sei und drei Kinder habe, der komme nicht sofort dran. Irgendwann jedoch müsse jeder. Manche treffe es sogar zweimal im Jahr, sie seien dann also sechs Monate weg von Zuhause. Jeweils 30 Kollegen müssen nach Frankfurt am Main, 20 nach Düsseldorf, fünf bis zehn nach Köln/Bonn und andere nach München, berichtet der Abgeordnete. Dort schlafen sie in Hotels, erhalten Trennungsgeld – alles auf Kosten des Steuerzahlers.
Der Schlamassel könnte durch dauerhafte Versetzungen beendet werden. Bundespolizisten sind Bundesbeamte und müssen innerhalb Deutschlands dahin gehen, wohin sie geschickt werden. Sie können sich dagegen schlecht wehren. Den Kollegen sei jedoch Anfang der 90er Jahre vom damaligen Bundesgrenzschutz versprochen worden, sie könnten bis zu ihrem Ruhestand an der polnischen Grenze bleiben, erinnert Maresch. Trotzdem würde er sich damit abfinden, wenn es bei der Bundespolizei zu Versetzungen kommt. Die Sicherheitsarchitektur heute verlange andere Lösungen als vor zwanzig Jahren. »Aber dann muss man die Kollegen mitnehmen, mit ihnen und den Gewerkschaften vernünftig reden und nach Lösungen suchen«, verlangt er. Dies geschehe bislang leider nicht, beziehungsweise in unzureichender Form.
Flüchtlingsorganisationen wäre es vielleicht lieb, wenn Deutschland weniger einer Festung gleichen würde, in die Flüchtlinge kaum noch gelangen können. Maresch entgegnet auf diesen Einwand, ihm gehe es um die Schleuserbanden, um Menschenhändler und ihre kriminellen Methoden. Diesen Banden und ihren Hintermännern müsse man das Handwerk legen. »Den Opfern dieser Banden gehört unsere Fürsorge und unser Respekt«, versichert er.
Dem Abgeordneten brennt noch ein zweites Thema auf den Nägeln. Die Bundespolizei verfügt über eine Mannschaftsstärke von ungefähr 40 000, darunter zirka 32 000 Polizisten. Der Rest sitze in der Verwaltung. Bei der Umorganisation der Bundespolizei, die im Zuge des EU-Beitritts von Polen und Tschechien erfolgte, wurden die fünf Präsidien aufgelöst und auch die Bundespolizeiämter abgeschafft. Nun sei ein Bundespolizeipräsidium mit Sitz in Potsdam für die gesamte Bundesrepublik zuständig. Das erklärte Ziel damals: Es sollten 1000 Bundespolizisten zusätzlich auf die Straße kommen. Keine schlechte Idee, findet der Linkspartei-Politiker. Doch nach seiner Einschätzung ging der Plan nicht auf. »Nach meinem Empfinden werden sogar noch mehr Leute in die Verwaltung hineingezogen.«
Man müsse bedenken, dass die Bundespolizei der Landespolizei Arbeit abnehme. Wenn sie bei einer Kontrolle feststelle, dass ein Auto gestohlen sei, dann müsse sie zwar die Landespolizei rufen, damit diese den Fall übernimmt. Die Aufgaben von Bundes- und Landespolizei sind klar getrennt. Doch die Diebe seien dann immerhin schon einmal geschnappt. Wenn sich die Bundespolizei weiter aus der Grenzregion zurückziehe, dann müsste das Konsequenzen für die Personalstärke der Landespolizei haben, findet Maresch. Er verweist darauf, dass gerade Fahrzeugdiebstähle in der Grenzregion zugenommen haben, seit es die Kontrollen an der Grenze nicht mehr gibt. Außerdem gebe es Delikte, die nur durch Kontrollen entdeckt werden.
Wenn weniger Schmuggelzigaretten gefunden werden, dann liege das nicht unbedingt daran, dass weniger Schmuggler unterwegs sind. Sie werden vielleicht nur nicht erwischt. Dies gelte bei Drogendelikten und anderen Straftaten genauso. Indessen plant Innenminister Rainer Speer (SPD) aber, Stellen bei der brandenburgischen Polizei zu streichen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.