Von zehn Ökohändlern blieben drei
Dem Markt auf dem Weddinger Leopoldplatz droht das Ende
Berlin ist eine Marktstadt. Die Menschen haben das vielfältige Marktleben in Berlin angenommen. Meistens handelt es sich um Mischmärkte aus konventioneller und ökologischer Landwirtschaft. Ökomärkte jedoch verstehen sich als Fachmärkte. Der reine Ökomarkt am Leopoldplatz startete 1991. Nun wurde der Kooperationsvertrag zwischen dem Bezirksamt und dem Nazarethkirchengemeinderat (NKG) beendet. Seit 2010 sollte es ein neues Marktkonzept geben.
Doch die Mehrheit der Ökohändler ist mit ihren Ständen vom Leopoldplatz verschwunden. An den Markttagen sieht es mit einigen wenigen Ständen karg aus. Das kommt Wedding nicht zugute. Ein gefördertes Stadtgebiet, das seine Händler nicht hält, die maßgeblich an der Aufwertung eines Gebietes mitgearbeitet haben? 2009 wurde die Müllerstraße durch das Bundesförderungsprogramm der Aktiven Stadtteilzentren gefördert. Es wurde eingesetzt, um Zentren mit problematischem sozialem Umfeld zu unterstützen, die besonders unter dem Strukturwandel leiden oder von schleichendem Funktionsverlust bedroht sind. »Trading-Down«-Prozesse nennt man das. Diese führen zu Leerständen und sind häufig der Anfang von negativen Entwicklungen in Stadtgebieten.
Als ein problematisches Umfeld ist der Leopoldplatz durchaus zu bezeichnen. Die Mehrheit der Händler und Stammkunden hält nichts davon, eine funktionierende Struktur zu entfernen. Die Kunden schätzen das soziale Umfeld beim Einkauf auf dem Markt, das gleichzeitig Unterhaltung, Austausch und auch soziale Netzwerke bedeutete. Kunden denken über den Wegzug aus dem Gebiet nach.
Von der Umsetzung eines neuen Konzeptes auf dem Platz ist bisher nichts zu sehen. Der Bezirksstadtrat für Wirtschaft und Arbeit im Bezirksamt Mitte, Carsten Spallek, vermutet eine vorübergehende, schwere Anlaufphase. Für das Bezirksamt soll der Ökomarkt auf jeden Fall weiter bestehen. Das ist die klare Zielstellung gewesen, die vom NKG und dem neuen Organisator Kurt Mindt zugesichert wurde. Dem Bezirksstadtrat sei die Zukunft des Marktes wichtig. Carsten Spallek beobachte quasi vom Schreibtisch aus die niedrige Standdichte seit dem Weggang der meisten Händler. Denn er sitzt im Bezirksamt genau dem Leopoldplatz gegenüber. Händler, Bauern und Kundschaft hatten sich mit dem Ökomarktbetreiber Christoph Ebeling, der 2008 gekündigt wurde, solidarisch erklärt.
Vor acht Jahren kamen auf dem Platz konventionelle Landwirtschaft und ein Trödelmarkt hinzu. Die Märkte waren mit ihrer unterschiedlichen Qualität für den sozial schwachen Stadtteil wertvoll. Händler und Kundschaft vermuten eine spürbare Verschlechterung der Qualität. Folge sei eine sinkende Attraktivität und Nachfrage. Und das bedrohe direkt die Existenz der Händler und Bauern.
Im Jahr 2009 hatte Christoph Ebeling in alle Richtungen für den Erhalt des Ökomarktes gekämpft. Dabei hat er alle Instanzen in Kirche und Bezirksamt kontaktiert. Er war bei Bezirksbürgermeister Christian Hanke, beim Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung, Ephraim Gothe, beim Bischof der Evangelischen Kirche von Berlin-Brandenburg, Wolfgang Huber und bei Superintendent Martin Kirchner. Ebeling hatte keinen Erfolg.
Der Markt hat sich verändert. Von zehn Ökohändlern sind drei geblieben. In einer Mischung aus Arbeit und Glück hat Ebeling den Zuschlag für einen neuen Ökomarkt in Friedrichshain/Kreuzberg in der Samariterstraße erhalten. Die meisten seiner Händler gehen mit ihm. Der Markt startet im Mai 2010.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.