Die Opposition wünscht Bauernopfer

Ministerpräsident Platzeck soll Politiker der Koalition rügen und die LPG-Bildung schlecht finden

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) hatten zahllose Vorteile: höhere Erträge, geregelte Arbeitszeiten, bessere Einkommen, Sommerurlaub usw. Hundertausende Bauern sind deshalb in den Jahren 1952 bis 1960 freiwillig eingetreten und haben es nie bereut. Zweifellos mussten etliche Landwirte erst überzeugt werden. Einige wurden gedrängt oder sogar gezwungen. Aber selbst von diesen Bauern möchten viele die Zeit in der LPG nicht missen. Außerdem ist der Gedanke der Agrargenossenschaften viel älter als die DDR und er überlebte sie, weil er gut und richtig ist. Auch in Westdeutschland gab und gibt es solche Genossenschaften.

Das sind Tatsachen. Doch die Oppositionsfraktionen CDU, FDP und Grüne wollen diese Tatsachen nicht hören, wenigstens nicht aus dem Munde von Politikern der rot-roten Koalition. »Unrecht bleibt Unrecht«, beharrte CDU-Vizefraktionschef Dieter Dombrowski gestern. Er sprach von »Geschichtsklitterung« und »Geschichtsfälschung« in »homöopathischen Dosen«.

FDP-Fraktionschef Hans-Peter Goetz assistierte: Wenn die »Zwangskollektivierung« etwas Positives sein solle, dann müsse man erwarten, dass demnächst die Verstaatlichung kleiner Unternehmen in den 70er Jahren bejaht werde. Grünen-Fraktionschef Axel Vogel erwähnte 8000 Schauprozesse und zwei Todesurteile gegen Landwirte, die ihm zufolge gegen die LPG agitiert haben.

Die Opposition verlangt von Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) eine Regierungserklärung. Im Endeffekt soll er dabei ihre unduldsame Sichtweise übernehmen. Platzeck soll sagen, dass 1960 – während des sozialistischen Frühlings auf dem Lande – tausenden Bauern Gewalt angetan und Unrecht geschehen sei. Außerdem sollte man über Entschädigungen nachdenken, findet Goetz. Ihm schwebt die Herausgabe landwirtschaftlicher Flächen vor, die dem Bundesland gehören.

Dabei hält die Opposition denkbar wenig in den Händen, was sie den Regierungsfraktionen SPD und LINKE wirklich vorwerfen könnte. Die Linkspartei-Politikerin Kirsten Tackmann plädierte lediglich für eine differenzierte Betrachtung der historischen Ereignisse. Dass es 1960 auch Druck gegeben hat, leugnete sie keineswegs. Außerdem gehört Tackmann dem Landtag gar nicht an. Sie sitzt im Bundestag.

Dem SPD-Landtagsabgeordneten und Landesbauernpräsidenten Udo Folgart kreidet Dombrowski an, dass er am Sonnabend an einer »Jubelveranstaltung« der Rosa-Luxemburg-Stiftung zum sozialistischen Frühling überhaupt teilgenommen und sie damit »geadelt« habe. Das Argument: Die Rosa-Luxemburg-Stiftung sei schließlich nicht die Konrad-Adenauer-Stiftung. Eine konkrete Äußerung Folgarts, über die er sich beschweren könnte, vermochte Dombrowski nicht zu nennen.

Dem Bauernverband Folgarts warf Dombrowski vor, auf der Funktionärsebene die ziemlich nahtlose Fortsetzung der Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe aus der DDR zu sein. Dabei vergaß er zu erwähnen, dass die DDR-Bauernpartei DBD von seiner CDU geschluckt wurde und der frühere CDU-Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns DBD-Kader war. Der Grüne Vogel erinnerte ihn daran.

Die Sozialisten sind für die Aufarbeitung der Geschichte, aber nicht einseitig und restaurativ, betonten die Landtagsabgeordneten Kornelia Wehlan und Michael-Egidius Luthardt (beide LINKE) in einer gemeinsamen Erklärung. »Es ist richtig, dass der Prozess zur Kollektivierung der Landwirtschaft in der DDR von Oben verordnet wurde. In den meisten Fällen konnte von Freiwilligkeit keine Rede sein und es gab Repressalien gegen sich zur Wehr setzende Bauern.« Wer aber nur diese Seite betrachte, male schwarz und verkenne, dass eine Modernisierung angestanden habe. Noch heute wirtschaften viele Genossenschaften erfolgreich, erklärten die Abgeordneten. »Das sollte nicht zerredet werden.«

Als Kronzeugen zitierten sie den letzten DDR-Ministerpräsidenten Lothar de Maizière (CDU) aus dem Buch »Junkerland in Bauernhand«, das 2005 bei der edition ost erschien. Darin sage de Maizère, Brandenburg werde seit dem Dreißigjährigen Krieg nicht mehr kleinbäuerlich bewirtschaftet, weil die Böden hier nicht so fruchtbar seien. Ein Kartoffelschlag müsse bis zum Horizont reichen, damit er sich lohne.

Grünen-Fraktionschef Vogel räumte ein, dass 300 bis 500 Hektar notwendig seien. Dass es mehr solcher immer noch kleinen Höfe gibt, sehnt er jedoch herbei.

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