LINKE zum Klassentreffen ins Rathaus
Fraktion feiert ihren 20. Jahrestag mit einiger Rückschau und Dialektik
Wie bei einem Klassentreffen: »Es ist spannend, viele wiederzusehen, die man lange nicht gesehen hat«, gesteht der Fraktionsvorsitzende der LINKEN im Abgeordnetenhaus, Udo Wolf. »Zum Beispiel Freke Over, aber auch die anderen alle mal wieder auf einem Haufen.« Ihr 20-jähriges Bestehen der Fraktion begehen die Genossinnen und Genossen aus zwei Jahrzehnten mit Führung und Empfang im Wappensaal heute im Roten Rathaus. Der Regierende Bürgermeister und Hausherr Klaus Wowereit (SPD) wird wohl auch da sein.
»Zurück blicken, vorwärts denken« lautet die Schlagzeile von Seite 1 der Jubiläumszeitung »zwanzigplus« und wohl auch das Motto des Jubiläums. »Von dem haben sich manche gewünscht und viele angenommen, dass es das nie geben wird«, meint Linkspartei-Landeschef Klaus Lederer. Viele wagten den Neuanfang, wollten auch Verantwortung für das zuvor Geschehene übernehmen. Damit reicht der – ja, doch, historische – Bogen dieser Fraktion nicht nur zurück zur Wahl der Stadtverordnetenversammlung Berlin Ost vom 6. Mai 1990, sondern in bewegte Geschichte. Denn es gab zuvor DDR und SED, mit dem Ende des Staatssozialismus' den Zusammenbruch eines ganzen Systems.
Es wurde mit und in dem politischen Wirken nicht selten auch der eigene Wunsch erfüllt, etwas einzubringen. Das fiel auf, war auch nicht immer gern gesehen. So sorgte schon bei der Konstituierung des ersten Gesamtberliner Abgeordnetenhauses am 11. Januar 1991 in St. Nikolai das von der PDS-Fraktion vor der Kirche entrollte Plakat »Kein Krieg am Golf!« für einige Unruhe, erinnert sich Autor Rainer Brandt.
Bei Ex-Fraktions- und nun Senatssprecher Günter Kolodziej findet sich als Rückblick auf die frühen Jahre: »Weil nicht sein konnte, was nicht sein durfte, wurde unsere Politik entweder beschimpft, belacht oder totgeschwiegen.« Er räumt ein, es gab eine Zeit, in der habe man bei der PDS verbreitet Kontakte mit den »feindlich-negativen Kräften« in der Welt draußen tunlichst vermeiden wollen.
Ihrer üblichen Medien-Einordnung als »Ost-Frau« setzt Gesine Lötzsch entgegen: »Dabei bin ich doch Ur-Berlinerin!« Bevor auch nur an eine Fusion von PDS und WASG zu denken gewesen sei, »haben wir Berliner die Mauer zwischen Ossis und Wessis abgetragen«. In heiterer Dialektik schlussfolgert die Kandidatin auf den Bundesvorsitz, weil in Ost- und in West-Berlin Menschen aus der ganzen DDR und aus der ganzen Bundesrepublik vertreten waren, sei in Berlin also die Fusion von Ost- und West-Linken vorweggenommen worden.
Übrigens wohl auch Regierungsverantwortung in diesem Ausmaß. Wenn auch Schwerin bei Rot-Rot voranging und Potsdam hinzukam, sind zwei gemeinsame Legislaturperioden mit der SPD bislang einmalig. Dabei wurde es dem Partner nicht immer leicht gemacht. So meint der sozialdemokratische Landes- und Parteichef Michael Müller entschuldigend, seine Partei habe die Leistungen des Partners zuweilen nur deshalb nicht recht würdigen können, weil einem der aktuelle Name partout nicht einfallen wollte – PDS, Linke, LinkePDS, PDS.Linke ...
Auf die Frage, ob er sich vorstellen könne, mit den Jubiläumsgästen eine Fraktion zu bilden und die vielleicht sogar zu leiten, antwortet mir Udo Wolf: »Wenn wir so viele Stimmen bekommen, dass wir an die 80 Mandate haben: Au ja!«
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