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Mich der Hölle zu entziehen

Ein Porträt des Dichters Georg Trakl im Theater unterm Dach

  • Lucía Tirado
  • Lesedauer: 3 Min.
Mich der Hölle zu entziehen

Alles passt so wunderbar zusammen in dem Stück über den Dichter, der mit dieser Welt nicht klar kam und sich nicht heimisch fühlte. Das Licht, die auf den Hintergrund der Bühne projizierten Bilder, die Kostüme, die Musik und die auf verschiedene Art genutzten schwarzen dreiteiligen Stellwände, die Zuflucht, Bank, Sarg, sogar Buch sein können. Dazwischen der sich wie rasend verbrauchende Dichter, gequält von verbotenen Gefühlen für seine jüngere Schwester Grete, gepeinigt durch Drogensucht, Ängste, Depressionen und das darauf folgende gestörte Sozialverhalten.

Das berührende Stück »Der Schwester Schatten« erzählt in 90 Minuten vom traurigen Leben Georg Trakls, der von 1887 bis 1914 lebte. Regisseurin Ingrun Aran, die Literatur und Psychologie studierte, inszenierte das Stück mit Schauspielern der Gruppe Okapi Productions in einer Art, die den Zuschauer in Distanz zum Geschehen lässt. Das Leid bleibt beim Dichter, wenn sie seine wichtigsten Lebensstationen beschreibt. So ist die Inszenierung im Theater unterm Dach kein Trauerspiel. Die wenigen Momente, in denen deutlich wird, wie intensiv Trakl Freude und Glück erlebt, sind so stark, dass man das Gefühl bekommt, sie würden ihn ein Stück Weg tragen. Dennoch ist sein Werk von dunkler Stimmung und Abschied geprägt, sei es von Menschen oder gar vom Leben.

Felix Würgler lebt Trakl auf der Bühne als den mit sich selbst ringenden, ständig erschöpften Menschen, der immer wieder sagt: »Ich habe nicht das Recht, mich der Hölle zu entziehen.« Glaubwürdig ist in seinem Spiel, dass dieser sich quälende Mann sich durch seinen Drogenkonsum für den Rest der Welt unerreichbar macht, dabei seine stärksten Werke schafft und sein Leben verbrennt. Leonie Brandis verkörpert die jüngere Schwester Margarethe unnahbar. Gut zeigt sie, wie Grete mitunter mit dem Bruder geradezu herzlos spielt. Aber sie verdeutlicht auch, wie diese junge Frau leidet und sich vor ihrem Bruder in Sicherheit bringt.

Wenn sich beide an Kinderjahre erinnern, dann an eine auch wegen Opiums oft tagelang nicht ansprechbar Mutter und an die Gouvernante, die beide Kinder erzog. Zwischen Bruder und Schwester hin und her gerissen wird der gemeinsame Freund Erhard Buschbeck, der auch immer wieder herhalten muss, wenn das Geld knapp wird, es aber nie zurückbekommt, weil Trakl zu stolz ist, die Gabe eines Mäzens anzunehmen. In dieser Rolle sieht man Henning Bormann. Er spielt, wie der Freund als einziger die Bodenhaftung behält, gleichzeitig jedoch mit in den dunklen Strudel der Ereignisse gezogen wird, wie der sich aufopfert und sich gleichzeitig von der Kreativität Trakls nährt. Die Inszenierung erlangt ihre poetische Schönheit schließlich durch die Traklsche Dichtung, die von der Regisseurin wirkungsvoll eingesetzt wird. Aktualitätsbezüge braucht dieses Stück nicht. Dennoch ergibt sich einer durch den nicht geklärten Tod des Dichters. Zu Beginn des Ersten Weltkriegs wird Trakl als Militärapotheker eingezogen. Er erlebt die Schlacht bei Grodek und verzweifelt daran, dass er unter schwersten Bedingungen den vielen schwer Verwundeten im Lazarett unter den herrschenden schlechten Bedingungen kaum helfen kann. Er verarbeitet seine Erlebnisse noch im Gedicht »Grodek« und erleidet einen Zusammenbruch. Das Unmenschliche des Krieges bringt den ohnehin schwermütigen Dichter um.

8. und 9. Mai, 20 Uhr, Theater unterm Dach, Danziger Str. 101, Prenzlauer Berg, Tel.: 902 95 38 17

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