Strenger Kasten für das Schöne

Vor 50 Jahren wurde die Akademie der Künste im Hansaviertel gegründet

  • Wilfried Mommert, dpa
  • Lesedauer: 4 Min.
Eröffnung der Akademie 1960
Eröffnung der Akademie 1960

Als die Amerikaner nach der Kongresshalle und der Gedenkbibliothek dem bedrohten und eingeschlossenen West-Berlin auch noch das neue Akademiegebäude im Tiergarten schenkten – da war die Freude auf Seiten der Berliner Haushaltspolitiker deutlich gedämpft. Dann aber kam der »reiche Onkel aus Amerika« – der aus Berlin stammende und in die USA ausgewanderte Unternehmer Henry H. Reichhold. Er versprach, nicht nur den Neubau zu 100 Prozent, sondern auch die Veranstaltungskosten der ersten Jahre zu übernehmen. Die Freude war groß – auch bei Bund und Ländern, die vorher erfolglos um Mithilfe gebeten worden waren.

Heute wird die Akademie in der deutschen Hauptstadt mit ihrem 2005 eröffneten Hauptsitz am Pariser Platz und der Dependance im Tiergarten vom Bund getragen. An diesem Wochenende feiert die von Klaus Staeck geleitete Akademie den 50. Geburtstag ihres Nachkriegsneubaus am Hanseatenweg im Hansaviertel. Er wurde im Juni 1960 – ein Jahr vor dem Mauerbau – eröffnet.

Sein Architekt Werner Düttmann wurde später Direktor der Abteilung Baukunst in seinem neuen Haus und von 1971 bis zu seinem Tod 1983 Präsident der Akademie der Künste. Sie hatte damit nach dem Krieg endlich einen festen Sitz im Westen der Stadt, nachdem die »Konkurrenz-Akademie« in Ost-Berlin schon längst etabliert war. Für den westlichen Neubau standen zunächst verschiedene Grundstücke zur Debatte – zwischen Canisius-Kolleg und alter Japanischer Botschaft, an der Budapester Straße unweit des Zoos oder im mondänen Grunewald an der Königsallee, bis man sich schließlich für ein Gelände am Rande des Tiergartens im neu wieder aufgebauten Hansaviertel entschied.

Düttmann, der schon bei der von Hugh Stubbins entworfenen Kongresshalle, der »Schwangeren Auster«, mitwirkte, schuf einen Neubau in strengen, kastenförmigen, aber auch großzügigen Formen. Es sind große Veranstaltungsräume sowie Ateliers, gedeckte Galerien, Wandelgänge und Sitzungsräume und Wohnungen. Zu deren ersten Bewohnern zählten Künstler wie Henry Moore (der auch die Plastik vor dem Eingang schuf), Hans Werner Henze, Walter Gropius, Ingeborg Bachmann, Samuel Beckett, Václav Havel und Peter Weiss.

Die hellen Übergänge in die von Walter Rossow gestalteten Steingärten mit Teichen erinnerten manche Besucher auch an eine Klosteranlage. »Diese neue Heimstätte des Schönen, Wahren und Guten mit Leben zu erfüllen und zum künstlerischen Mittelpunkt zu machen, ist jetzt die große Aufgabe der Künstler«, hieß es seinerzeit in einem Zeitungsbericht.

Das Haus am Hanseatenweg war das erste neu errichtete kulturelle Zentrum im Westen Berlins, wo in den ersten Jahren viel beachtete Ausstellungen zeitgenössischer Kunst gezeigt wurden. Die Neue Nationalgalerie von Ludwig Mies van der Rohe wurde erst 1968 eröffnet. Am Hanseatenweg wurden noch lange Zeit die Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern der modernen, abstrakten und der mehr gegenständlichen Kunstrichtungen ausgetragen. Ein Auftritt von Joseph Beuys, der drei zerstörte Konzertflügel und ein ratloses Publikum zurückließ, was seine Wahl zum Akademiemitglied zunächst verhinderte, gehört auch zur oft wildbewegten Chronik am Hanseatenweg.

Hier trafen sich Schriftsteller aus Ost und West noch vor dem Fall der Mauer zu Diskussionen, von Stephan Hermlin, Stefan Heym und Christa Wolf bis Uwe Johnson, Max Frisch, Rolf Hochhuth und Günter Grass, der hier am 8. Mai 1985 eine beachtete Rede zum 40. Jahrestag der deutschen Kapitulation im Zweiten Weltkrieg hielt.

Grass war am Hanseatenweg von 1983 bis 1986 Akademiepräsident. Er trat später aus Protest aus der Künstlersozietät aus, weil sie eine Solidaritätsveranstaltung für Salman Rushdie verweigert hatte. Erst 1998 kam es am Hanseatenweg in Anwesenheit Rushdies zur allseitigen Versöhnung.

Langjähriger Akademiepräsident am Hanseatenweg war der inzwischen demenzkranke Walter Jens. Er führte von 1989 bis 1997 die Künstler aus Ost und West mit viel Geschick zur damals heftig umstrittenen Vereinigung der beiden Akademien. Diese konnte schließlich 2005 ihren Neubau am Brandenburger Tor beziehen.

Lange Jubiläumsnacht, 8.5., ab 19.30 Uhr, www.adk.de

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