Fragwürdige Haushaltsabgabe

  • Kathrin Senger-Schäfer
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Autorin ist medienpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag. Foto: DIE LINKE
Die Autorin ist medienpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag.
Die Autorin ist medienpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag.

Der Heidelberger Verfassungsrechtler Paul Kirchhof hat am letzten Donnerstag der Öffentlichkeit sein von den Ministerpräsidenten der Länder in Auftrag gegebenes Gutachten zur Rundfunkgebühr vorgestellt. Mit diesem werden die bestehenden verfassungsrechtlichen Bedenken für eine Abkehr von der bisher geltenden Geräte bezogenen Rundfunkgebühr hin zu einer sogenannten Haushaltsabgabe ausgeräumt.

Zwar werden neue Gebührenregelungen erst in einigen Jahren in Kraft treten, aber die Weichen werden gestellt: Künftig soll jeder Haushalt eine pauschale Gebühr zahlen, die die Nutzung von Fernsehen, Radio und modernen Empfangsgeräten wie Handy oder PC einschließt. Derzeit sind das 17,98 Euro. Kirchhof empfiehlt die Beibehaltung dieser Summe, aber dass sie nicht doch noch erhöht wird, ist keineswegs gesagt. ARD und ZDF wollen noch errechnen lassen, ob ihr Bedarf damit abgedeckt wird. So oder so bliebe unterm Strich eine enorme Erhöhung des Gebührenaufkommens.

Beispielsweise werden auch jene 2,4 Millionen Gebührenzahler die volle Gebühr entrichten müssen, die bisher nur die Grundgebühr von 5,76 Euro zahlen, weil sie nur Radio oder PC, aber kein Fernsehgerät nutzen Auch für Betriebe sollen neue Regelungen gelten: Sie werden nach Mitarbeiterzahl belastet. Es wird einfach eine gesetzliche Vermutung geschaffen, dass heutzutage in jedem Haushalt und in jeder Betriebsstätte ein Rundfunkempfangsgerät steht. Das Modell der Ministerpräsidenten, das Kirchhof gutheißt, enthält jedoch noch einen ganz anderen brisanten politischen Aspekt: Die höchst unbeliebte Gebühreneinzugszentrale soll zur Rundfunkservicezentrale werden. Die Namensänderung wäre unwichtig, wenn sich dahinter nicht erweiterte Befugnisse zur Erhebung und zum Ankauf von personenbezogenen Daten und zur Überprüfung der Wohn- und Mietverhältnisse in den Haushalten und Betriebsstätten verbergen würden, beispielsweise eine über die schon bestehende noch hinaus gehende Zusammenarbeit mit den Einwohnermeldeämtern. Auch sollen die Bürgerinnen und Bürger verpflichtet werden, Daten über Dritte – Mitbewohner, Mieter, Wohnungs- und Betriebsstätteninhaber – preiszugeben und durch verschiedenste Nachweise zu belegen. Die »Servicezentrale« wird zu einer beispiellosen Schnüffelzentrale.

Es ist selbstverständlich, dass DIE LINKE. dieses bürgerfeindliche Modell ablehnt. Stattdessen setzen wir uns ein für einen bürgerfreundlichen und bürgernahen öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Dazu gehört auch eine Modifizierung der Rundfunkgebühren. Wir verlangen die Beibehaltung der Geräte bezogenen Gebühr, die auch weiterhin eine Trennung von Grund- und Fernsehgebühr ermöglicht. TV-Gebühr zahlt nur, wer auch TV nutzt! Und wir fordern die Ausweitung der Befreiungstatbestände auf größere Gruppen als bisher (zum Beispiel auch für Geringverdiener), für Bibliotheken, Hochschulen oder Feuerwehren, ebenso für Zweitwohnungen, Gärten, Arbeitszimmer oder Dienstwagen. Kirchhof macht selbst den Vorschlag, die Beiträge für von Gebühren befreite Haushalte von den Trägern der sozialen Leistungen übernehmen zu lassen. Auch das ist eine alte Forderung der LINKEN. Sie würde den Einnahmeausfall mehr als kompensieren.

Kurz: Es muss keine Gebührenerhöhungen geben. Mit rund 7,5 Milliarden Euro Einnahmen im Jahr sind ARD und ZDF die reichsten öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten der Welt. Neue technische Herausforderungen kosten zwar viel Geld, aber es gibt andererseits zahlreiche Einsparmöglichkeiten – von den Verwaltungsstrukturen bis zur Programmgestaltung. Und das muss keineswegs mit Qualitätsverlust einhergehen, sogar im Gegenteil!

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