- Politik
- Aids
Frauen sind anders HIV-positiv
Durch Therapien können infizierte Babys verhindert werden
Der 8. Deutsche Aids-Kongress ging am Sonntag zu Ende. Sowohl für Mediziner und Wissenschaftler als auch für die Betroffenen und ihre Angehörigen war der Kongress ein voller Erfolg.
Nach den Homosexuellen und intravenösen Drogenabhängigen, die in Westeuropa nach wie vor die größten Gruppen an Infizierten zu verzeichnen haben, stecken sich immer mehr heterosexuelle Frauen mit dem tödlichen Virus an. Viele Frauen ahnen das lange Zeit nicht. Erst ein HIV-Test als Routineuntersuchung bei einer Schwangerschaft ändert ihre gesamtes Leben. Noch vor sechs bis sieben Jahren wurde den Frauen in solchen Fällen zum Schwangerschaftsabbruch geraten. Einerseits um die Gesundheit der Mutter nicht stärker zu belasten, andererseits um zu verhindern, dass das Kind ebenfalls HIV-positiv geboren wird. Die meisten Babys haben sich im Mutterleib oder während der Geburt infiziert. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) leben weltweit rund 1,3Millionen Kinder mit dem Immunschwäche auslösenden Virus, jährlich infizieren sich 600000 Babys neu. Vor allem in Afrika und Asien kommen Kinder auf die Welt, die vom Tage ihrer Geburt an dem Tod ins Auge blicken. Weder sie noch ihre Mutter erhalten medizinische und psychosoziale Betreuung, weil sie arm sind. In Europa infizieren sich jährlich 4000 Kinder neu, vor allem wegen der prekären Situation und mangelnden medizinischen Hilfe in Osteuropa. Doch HIV-Babys können verhindert werden. »Heute muss kein Kind mehr mit einer HIV-Infektion geboren werden, dessen Mutter positiv ist«, sagte Ilse Grosch-Wörner von der Berliner Charité. Medizin und Forschung sind inzwischen so weit, die Übertragungswege zu bannen oder stark einzudämmen. Das gelingt in erster Linie durch eine antiretrovirale Behandlung der Mutter während der Schwangerschaft, einen Kaiserschnitt und eine Prophylaxe des Neugeborenen. Haben Anfang der 90er Jahre noch über 30Prozent der betroffenen Frauen ihre Kinder angesteckt, liegt die Rate inzwischen bei unter zwei Prozent, sagte Ulrike Sonnenberg-Schwan vom Kuratorium für Immunschwäche in München. Seit 1995 ist nach Angaben von Ilse Grosch-Wörner in der Berliner Charité kein HIV-positives Kind mehr geboren worden. Lediglich in Fällen, bei denen die Behandlung vernachlässigt oder nicht richtig durchgeführt werde, steige das Infektionsrisiko, beklagten die beiden Fachfrauen. Erreichten Aids-Kinder bis vor wenigen Jahren höchstens ein Alter von bis zu sechs Jahren, ist heute die Lebenserwartung in etwa normal. Dennoch sind die Kinder ihr Leben von der Krankheit der Mutter betroffen. Zunächst haben sie keine »normale« Mutter und können sie schon in jungen Jahren durch Tod verlieren. Die Kinder tragen auch durch die harte medikamentöse Behandlung der Schwangeren lebenslange Schäden davon. Derzeit sind 8000 bis 9000 Frauen in Deutschland als HIV-positiv bekannt. Viele davon sind Migrantinnen, die bereits infiziert in die Bundesrepublik eingereist sind. Als problematisch bei der Behandlung von Frauen erweist sich immer wieder, dass sich die Aids-Forschung stets auf Männer und ihre Symptome konzentriert hat. »Die Ergebnisse der Studien wurden einfach auf Frauen übertragen, ohne geschlechtsspezifische Unterschiede anzuerkennen«, so Ulrike Sonnenberg-Schwan. Doch rein anatomisch als auch psychisch entwickeln Frauen und Männer mitunter gänzlich andere Krankheitsmerkmale. So ist fast nichts bekannt über die Wirkung der antiretroviralen Methode, in Fachkreisen als HAART abgekürzt. HAART ist eine lebensverlängernde Therapie, bei der mehrere Medikamente miteinander kombiniert werden. Sie wird derzeit am häufigsten angewendet. Immer wieder wurden Untersuchungen zum Problem Frauen und Aids gefordert. Auch Studien aus den USA, die in der Forschung weiter sind, seien nicht ohne weiteres auf Deutschland zu übertragen, kritisierte Sonnenberg-Schwan: »Amerikanerinnen haben einen anderen soziokulturellen Hintergrund, der nicht mit dem deutscher Frauen zu vergleichen ist.« Derzeit planen Ärztinnen und Forscherinnen eine so genannte Kohortenstudie, bei der 900 betroffene Frauen untersucht, therapiert und befragt werden sollen. Aids ist noch immer tödlich. Das wurde auf dem Kongress immer wieder betont. Wenngleich die Lebensperspektiven von HIV- und Aids-Patienten durch HAART verlängert werden können, zollen Langzeittherapien ihren Tribut. Bei manchen Betroffenen steigen die Blutzuckerwerte, einige bekommen Diabetes, bei Frauen wachsen die Brüste, andere klagen über Fettumteilung hin zu Bauch und Nacken. »Manche Betroffene sehen aus, als seien sie hochschwanger«, sagte die Berliner Ärztin Elke Lauenroth-Mai. Die Betroffenen leiden psychisch stark unter ihrem veränderten Aussehen. Manche bekommen heftige Schmerzen und andere Krankheiten. In solchen Fällen wird ein Präparat der Kombi-Therapie, meist ein Protease-Hemmer, ausgetauscht. Diese so genannten Switch-Therapien werden jedoch nur bei den Patienten durchgeführt, die eine geringe Viruslast haben. Der Nachteil dabei ist, dass die Fettumverteilung auch bei einem ausgetauschten Präparat irreparabel ist. »Hier steht die Forschung noch am Anfang«, erklärte Elke Lauenroth-Mai. Ein neues Mittel stellte die Pharmafirma Habbot vor. Kaletra heißt der »Shooting-Star« unter den Aids-Medikamenten und soll noch in diesem Jahr auf den Markt kommen. Es sei vor allem für jene Patienten entwickelt worden, die bereits gegen bestimmte Medikamente immun geworden seien, sagte...Zum Weiterlesen gibt es folgende Möglichkeiten:
Mit einem Digital-, Digital-Mini- oder Kombi-Abo haben Sie, neben den anderen Abo-Vorteilen, Zugriff auf alle Artikel seit 1990.