»Wir wollen eine andere Politik«
Dietmar Bartsch, Bundesgeschäftsführer der LINKEN, über Regierungsbeteiligungen, Doppelspitzen und das PDS-Erbe
ND: An diesem Wochenende geht auf dem Rostocker Parteitag die »Ära Bartsch« zu Ende. Nach insgesamt zehn Jahren als Bundesgeschäftsführer – zuerst bei der PDS und später bei der LINKEN – geben Sie Ihr Amt nun auf. Schwingt da nicht ein bisschen Wehmut mit?
Bartsch: Es geht keine »Ära Bartsch« zu Ende. Es ist normal, dass nach so langer Dienstzeit als Bundesgeschäftsführer ein Wechsel erfolgt. Ich wurde 1997 erstmals Bundesgeschäftsführer und habe seitdem mit Peter Hintze, Angela Merkel, Ronald Pofalla, Laurenz Meyer, Ruprecht Polenz und Hermann Gröhe allein sechs Generalsekretäre der CDU er- bzw. überlebt. Da müsste es im Nachgang noch einen Erschwerniszuschlag geben. Aber ernsthaft, ich werde in Rostock nicht mehr für dieses Amt kandidieren und bin stolz auf die Bilanz, die ich mit vielen Genossinnen und Genossen gemeinsam nach dieser Zeit vorlegen kann.
Mit Caren Lay und Werner Dreibus sollen Ihnen nun gleich zwei Bundesgeschäftsführer folgen. Bis 2014, so will es der Mitgliederentscheid, soll diese Doppelspitze höchstens Bestand haben. Ist die zeitliche Beschränkung sinnvoll?
Der Mitgliederentscheid hat festgehalten, dass es für zwei Jahre zwei Bundesgeschäftsführer geben wird. Danach wird ein Parteitag eine Entscheidung treffen, ob weitere zwei Jahre folgen werden. Ich gehe davon aus, dass es eine breite Unterstützung für dieses Herangehen gibt.
Sie galten nie als Freund von Doppelspitzen. Aber machen duale Führungsstrukturen in dieser Phase des Zusammenwachsens der Partei nicht doch Sinn?
Klar und eindeutig: Ich bin kein Freund von Doppelspitzen, habe das immer so vertreten und vertrete das auch weiterhin. In dieser konkreten Situation habe ich allerdings gesagt, dass man für eine Übergangszeit so verfahren kann. Ob wir damit erfolgreich sein werden, wird sich zeigen. Aber die LINKE hat schon schwierigere Aufgaben gemeistert.
Der Parteitag in Rostock symbolisiert ja auch so etwas wie den Abschluss der Gründungsphase der LINKEN. Die alte PDS, die Sie jahrelang begleiteten, gibt es nicht mehr. Wie viel dieser PDS steckt noch in der heutigen Linkspartei?
Wir beenden keine Gründungsphasen mit Parteitagen. Die LINKE ist eine Erfolgsgeschichte, die zuletzt mit dem Einzug in den nordrhein-westfälischen Landtag einen neuen Höhepunkt erlebt hat. Die Parteibildung ist jedoch nicht abgeschlossen. Selbstverständlich ist die PDS als eine der Quellparteien allein durch die Mitgliedschaft, die Wahlerfolge, vor allen Dingen aber durch die politische Substanz in der neuen Partei aufgehoben. Und es muss darauf ankommen, dass die vielen positiven Aspekte, z.B. unsere kommunalpolitische Kompetenz, weiterhin erhalten bleiben. Aber eines sollte klar sein: Die PDS allein hätte niemals diese bundespolitischen Erfolge erzielt.
Was brachte die PDS als Mitgift in die Ehe mit der WSAG ein?
Mitgift ist ja etwas, was man einbringt, ablegt und dann war es das. Die PDS hat in den neuen Ländern Hervorragendes geleistet und war dort eine sozialistische Volkspartei. Viele Mitglieder in den alten Ländern, die sich für die PDS engagierten, haben ebenfalls die Grundlage für die neue Partei mit geschaffen. Kurz gesagt: Politische Substanz, engagierte Mitglieder und hervorragende Ausgangsbedingungen – insbesondere in den Kommunen und Ländern des Ostens – haben wir mit in die Ehe gebracht. Die WASG hat politische, insbesondere gewerkschaftspolitische Substanz und eine gewisse Verankerung in den alten Ländern mitgebracht. Aber letztlich sind diese beiden Parteien Geschichte. Über 25 000, also fast ein Drittel, unserer Mitglieder waren weder in der PDS noch in der WASG. Diese Kapitel sind interessante Kapitel, aber sie sind abgeschlossen.
Medien zeichnen gern das Bild vom pragmatischen Ossi-LINKEN und dem westdeutschen Fundamental-Oppositionellen, dessen eigentliche politische Heimat die K-Gruppe sei. Sind diese Ost-West-Klischees im Jahre drei der Parteigründung noch zutreffend?
Diese Klischees haben noch nie gestimmt. Es ist immer anhand der politischen Substanz zu erörtern, zu diskutieren und auch zu kritisieren. So gibt es Westrealos, wenn ich das Klischee bedienen darf, genauso wie Ostradikale. Wenn wir uns die politische Substanz anschauen, dann sind die Gemeinsamkeiten in der Linkspartei das Ausschlaggebende. Und dass wir eine diskutierende Partei sind, ist gut und auch wünschenswert. Aber wir sind vor allem eine Partei, die gemeinsam kämpfen kann. Das haben wir insbesondere im Wahljahr 2009 gezeigt.
In Nordrhein-Westfalen führte die LINKE ebenfalls einen erfolgreichen Wahlkampf und zog in den Düsseldorfer Landtag ein. Nun zeigt sich die dortige Parteiführung bereit für Koalitionsgespräche mit der SPD und den Grünen. Ist die NRW-LINKE schon regierungsfähig?
Auch das ist wiederum ein von vielen Medien gern gepflegtes Klischee. Wenn ich mir andere Parteien anschaue, kann ich zurzeit feststellen, dass CDU/CSU und FDP auf Bundesebene nicht regierungsfähig sind. Die LINKE, auch in Nordrhein-Westfalen, wird mögliche Koalitionen immer an politischen Inhalten festmachen. Dass es eine besondere Herausforderung ist, gleich mit Regierungsverantwortung konfrontiert zu sein, wenn man das erste Mal in einen Landtag einzieht, ist doch völlig unbestritten. Aber nichtsdestotrotz wird mit der Unterstützung der Gesamtpartei ein Politikwechsel in Nordrhein-Westfalen an uns nicht scheitern.
Und so ist auch Ihr umstrittenes Zitat vom November 2009 zu verstehen? Damals empfahlen sie der nordrhein-westfälischen LINKEN, »nicht gleich beim ersten Einzug« nach Regierungsverantwortung zu streben.
Das ist eine Position, die vordergründig nichts mit Nordrhein-Westfalen zu tun hat. Ich habe immer die Meinung vertreten, dass man nicht beim ersten Mal nach Regierungsverantwortung streben muss. Aber wenn es den Menschen im Land dient und ein Politikwechsel möglich ist, dann muss man es selbstverständlich auch tun. Wir haben uns beispielsweise auch nach unserem Ersteinzug in Hessen dieser Herausforderung gestellt. Dort hat dann die SPD den Wechsel nicht gewollt.
Natürlich ist es für parlamentarische Neulinge immer schwierig, sich in die Parlamentsabläufe einzuarbeiten. Deshalb ist mein Statement aus dem November nicht als Absage an Regierungsverantwortung zu verstehen. Auch nicht als Zurechtweisung der NRW-LINKEN. Der dortige Landesverband ist der bundesweit mitgliedermäßig am schnellsten wachsende. Das ist auf der einen Seite ein riesiger Erfolg, auf der anderen Seite bringt das immer das eine oder andere Problem mit sich. Aber ich bin zufrieden, wie die LINKE in Nordrhein-Westfalen das auch im Wahlkampf weitgehend positiv gelöst hat.
Welche Positionen sollte die LINKE in den möglichen Koalitionsverhandlungen auf keinen Fall preisgeben?
Wir sind mitten in einer intensiv geführten Programmdiskussion. Ich halte wenig davon, bestimmte Glaubenssätze vor sich herzutragen. Aber eines ist doch ganz klar: Wir stehen zu den Aussagen, die wir in Wahlkämpfen gemacht haben. Das heißt, dass es mit uns keinen Sozialabbau und keine Privatisierungen geben wird. Das heißt auch, dass wir eine andere Außenpolitik wollen, ohne weltweite Kampfeinsätze deutscher Soldaten. Es ist zudem völlig unstrittig, dass wir Hartz IV abschaffen wollen und dass die Rente erst ab 67 mit uns nicht machbar ist. Klar und eindeutig: Wir wollen eine andere Politik.
Schwarz-Gelb plündert die öffentlichen Haushalte und macht dadurch Bund, Länder und Kommunen handlungsunfähig. Da müssen wir jetzt in der Opposition und gegebenenfalls auch später in der Regierungsverantwortung gegensteuern. Und es muss die Frage beantwortet werden, wer die Zeche für die Krise zahlt. Jeden Tag werden neue Milliardenverbindlichkeiten, seien es Direktkredite oder Bürgschaften, aufgenommen, häufig um Banken und Konzerne zu retten. Das bringt den gesamten Haushalt in eine existenzielle Situation. Wenn das so weitergemacht wird, dann ist es bald egal, wer regiert, weil der Staat handlungsunfähig ist. Auch deswegen ist die LINKE aktuell gefordert.
Fragen: Fabian Lambeck
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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