Der Ring in Regenbogenfarben

»Gott der allmechtig wolte jetzo die welt rainigen …« – Thomas Müntzer und die Schlacht bei Frankenhausen 1525

  • Günter Vogler
  • Lesedauer: 5 Min.

Am 15. Mai 1525 sprachen die Waffen. Auf dem Hausberg nahe Frankenhausen standen sich aufständische Bauern und Bürger und deren fürstliche Gegner mit ihren Söldnern gegenüber. Seit Mitte April hatten sich – wie in anderen Regionen des Reichs schon vorher – zwischen Harz und Thüringer Wald Untertanen gegen ihre Herren erhoben. Nach einigen Scharmützeln schien nun die Stunde der Entscheidung gekommen.

Macht es Sinn, nach 485 Jahren noch daran zu erinnern? Es gibt viele Erinnerungsorte, aber nur wenige, die vom Kampf der Untertanen gegen ihre Herrschaft Zeugnis ablegen. Der Hausberg bei Frankenhausen (seit dieser Zeit »Schlachtberg«) ist ein solcher: Ein 1962 aufgestellter schlichter Gedenkstein zeigt eine stilisierte Fahne mit der Inschrift »Fryheit«, darunter ist zu lesen: »Bauernschlacht unter der Führung von Thomas Müntzer, 15. Mai 1525.«

Vor Jahren sahen Besucher eine Bergkuppe, deren Gipsgestein ihr ein karges Aussehen verlieh. Der Wald war schon vor Jahrhunderten abgeholzt worden, weil die Frankenhäuser Siedehütten viel Holz für die Salzgewinnung benötigten. Das Bild änderte sich, als seit 1974 auf der Anhöhe das Gebäude für Werner Tübkes monumentales Gemälde »Frühbürgerliche Revolution in Deutschland« errichtet und am 14. September 1989 der Öffentlichkeit übergeben wurde. Die nach der »Wende« laut werdenden Stimmen, das Panorama zu schließen, sind bald verstummt; heute ist es ein nicht mehr wegzudenkendes Touristenziel. Vor 1989 als »Bauernkriegs-Gedenkstätte« konzipiert, wurde daraus nach 1991 auf der Grundlage eines vom Thüringer Ministerium für Wissenschaft verabschiedeten Nutzungskonzepts ein Kunstmuseum, »das allmählich den Charakter einer Bauernkriegs-Gedenkstätte ganz in den Hintergrund gedrängt hat« (Paul Raabe, Blaubuch Kulturelle Leuchttürme, Berlin 2006).

Im historischen Gedächtnis lebt der Berg als Schauplatz der »Schlacht von Frankenhausen« fort. Die Homepage des »Panorama Museums« spricht vom »Ort eines blutigen Glaubenskampfes«. Nein, es war ein Aufstand von bäuerlichen und städtischen Untertanen für die unverfälschte Predigt des Evangeliums, ökonomische Entlastung und politische Partizipation. Als sich in Frankenhausen am 29. April 1525 Handwerker, Salzknechte und Pfänner gegen den Rat erhoben und ihre Forderungen artikulierten, bildete sich ein Lager, in dem sich neben dem Frankenhäuser Bürgeraufgebot Untertanen aus Allstedt, Nordhausen und Sangerhausen, vom Eichsfeld und aus den Grafschaften Hohnstein und Schwarzburg sammelten. Die Konzentration der Aufständischen und die befestigte Stadt ließen es möglich erscheinen, die entscheidende Schlacht zu schlagen.

Als Thomas Müntzer in Mühlhausen ein Ersuchen um Hilfe erreichte, sagte er diese zu. Aber die Einlösung des Versprechens verzögerte sich, weil auch andere Orte auf Unterstützung hofften und es in Mühlhausen Schwierigkeiten gab, das Aufgebot aufzubringen. Am 10. Mai konnte Müntzer schließlich mit 300 Mann aus den reichsstädtischen Dörfern nach Frankenhausen aufbrechen. Dort wurde die Lage inzwischen kritisch: Die Fürsten – vor allem Landgraf Philipp von Hessen und Herzog Georg von Sachsen – bereiteten zielstrebig den Gegenschlag vor, und Graf Albrecht von Mansfeld wandte sich am 10. Mai an die Aufständischen, wenn sie Beschwerden vorzutragen hätten, sollten sie es darüber nicht zum Blutvergießen kommen lassen. Als Müntzer mit seinem Trupp im Lager eintraf, unterband er offenbar Verhandlungen; er forderte in Briefen Albrecht und dessen Bruder Graf Ernst auf, vor dem Haufen zu erscheinen und Rechenschaft über ihren Glauben und ihr Tun zu legen. Natürlich kamen sie dieser Aufforderung nicht nach.

Nach einem ersten Gefecht mit der hessischen Vorhut verließen die Aufständischen die schützenden Mauern Frankenhausens und errichteten auf dem Hausberg eine Wagenburg. Durch die natürliche Lage gesichert, war gegebenenfalls ein Rückzug in Richtung des Kyffhäuser möglich. Oberster Hauptmann war Bonaventura Kürschner, ein Hintersiedler aus Frankenhausen – nicht Müntzer, der als Feldprediger natürlich Einfluss im Haufen besaß. Er predigte täglich und verkündete am 14. Mai, Gott wolle jetzt die Welt reinigen und habe der Obrigkeit die Gewalt genommen. Gott sei mit ihnen, denn ihre Fahne zeige den Regenbogen, das Zeichen des göttlichen Bundes.

Am Morgen des 15. Mai umging Philipp die Stadt und vereinigte seine Truppen mit denen Georgs. Aus der Wagenburg wurde dieses Manöver durch Geschützfeuer gestört, aber es gelang nicht, die Konzentration der gegnerischen Kräfte zu verhindern. Philipp brachte sein Geschütz so in Stellung, dass er die Wagenburg beschießen und den Aufständischen den Rückzug abschneiden konnte. Die Fürsten verlangten inzwischen die Auslieferung Müntzers, und die Aufständischen sollten nachsichtig behandelt werden, wenn sie sich ergeben. Eine Mehrheit im Lager lehnte das ab, und als sich um die Sonne ein Ring in den Regenbogenfarben bildete, sahen die Aufständischen darin – wie ihnen Müntzer predigte – ein Zeichen Gottes, der ihnen den Sieg verleihen werde. Offenbar waren während der Predigt die Stellungen nur schwach besetzt, so dass es nach Beschuss der fürstlichen Reiterei gelang, in die Wagenburg einzufallen. Angesichts der entstehenden Verwirrung war an Gegenwehr nicht zu denken. Die meisten suchten sich hinter die Mauern der nahen Stadt zu retten, wurden jedoch auf dem Weg dorthin von den Söldnern erschlagen. Andere wurden in der Stadt aufgespürt, darunter auch Müntzer. An die 6000 Aufständische wurden getötet und Müntzer am 27. Mai vor den Toren Mühlhausens hingerichtet.

Tübkes Panorama ist kein Historienbild, das dem Betrachter diese Tragödie vor Augen führt. Er präsentiert ein »Weltpanorama«, eine »metaphorische Interpretation einer ganzen Epoche«, in die das Geschehen auf dem »Schlachtberg« integriert ist. Müntzer steht unter dem Regenbogen, nachdenklich, ein gescheiterter Gideon (dem ein Engel verkündet hatte, die Midianiter zu schlagen und Israel zu befreien), mit dem er sich verglichen hatte. Aber mit der rechten Hand weist er auf die Fahne mit dem Wort »Fryheit« – ein Zeichen bleibender Hoffnung.

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