Null Toleranz für Homophobie
Zum Internationalen Gedenktag startet der Senat eine Initiative für sexuelle Vielfalt
Das Land Berlin hat sich einiges vorgenommen. Pünktlich zum Internationalen Tag gegen Homophobie, der europaweit am 17. Mai begangen wird, beginnt der rot-rote Senat mit der Umsetzung eines umfangreichen Maßnahmenpakets, um eine breite Akzeptanz von sexueller Vielfalt zu befördern. Und sich gleichzeitig für die Ächtung homosexuellen-feindlicher Einstellungen und Verhaltensweisen einzusetzen.
Doch diese Auseinandersetzung ist eine Aufgabe der gesamten Gesellschaft und nicht nur der engagierten Lesben, Schwulen, trans- und intergeschlechtlichen Menschen. Deshalb auch der Titel der Initiative: »Berlin tritt ein für Selbstbestimmung und die Akzeptanz sexueller Vielfalt«. »Uns stehen 2,1 Millionen Euro zur Verfügung, mit denen wir einen Maßnahmenkatalog von 60 Aktionen und zehn Rechtsangleichungen finanzieren wollen«, erläutert die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle, Eren Ünsal, gegenüber ND.
Bis Ende 2011 soll das Vorhaben umgesetzt werden, hatte das Abgeordnetenhaus bereits im April 2009 beschlossen – erfreulicherweise einstimmig. Zurück geht das gesamte Projekt auf eine Initiative der Grünen, die nach mehreren abscheulichen Gewaltübergriffen gegen Schwule, Lesben sowie Transgender im Jahr 2009 einen Aktionsplan gegen Homophobie forderten. Wie nötig ein Handeln geboten war, belegt auch die polizeiliche Statistik für politisch motivierte Kriminalität (PKM), die eine Verdoppelung von Hasskriminalität aufgrund der sexuellen Orientierung von 2007 bis 2009 ausweist – die Dunkelziffer dürfte indes noch höher ausfallen. »Mit der Initiative muss es gelingen, in den Köpfen der Menschen etwas zu bewegen«, hoffen die SprecherInnen für Lesben- und Schwulenpolitik der Grünen Anja Kofbinger und Thomas Birk.
Rot-Rot ging indes in seiner Initiative noch über das Ansinnen des Grünen Aktionsplans hinaus: Nach einer Sondierung unter Nichtregierungsorganisationen (NGOs) aus diesem Bereich wurden gemeinsam mit diesen und den Senatsverwaltungen die konkreten Maßnahmen entwickelt. »Das lief hervorragend«, berichtet Ünsal. Andererseits handele es sich nicht nur um gänzlich neue Vorhaben, sondern gute, bereits bestehende Projekte würden selbstverständlich weiter gefördert.
Doch wie soll der Plan konkret umgesetzt werden? »Bildung ist auf jeden Fall ein Schwerpunkt«, sagt Ünsal. Was etwa die Schulung von LehrerInnen angeht, so sollen diese nicht mehr nur die »klassischen« Schulungen zu Homosexualität mitmachen, sondern den weitergehenden »Diversity-Ansatz« erfahren. Das meint, wegzukommen von einer Perspektive auf die Diskriminierungen und Ausgrenzungen von Minderheiten hin zu einer Kultur der Akzeptanz und Wertschätzung gesellschaftlicher Vielfalt. »Es geht darum, nicht immer dasselbe mit mehr Geld zu machen, sondern das Mehr an Geld für neue und wirksamere Instrumente auszugeben.«
Die Kampagne zielt also in der Hauptsache auf die Mehrheitsgesellschaft, um diese für die Probleme der Minderheit zu sensibilisieren. Gleichzeitig geht es genauso um die Stärkung dieser Minderheiten, deren Wehrhaftigkeit gesteigert werden soll. Zudem wird schlicht und einfach dafür geworben, diese Feindlichkeiten sofort anzuzeigen. Die Zeit, Hassverbrechen zu bagatellisieren, so das Signal der Initiative, ist endgültig vorbei.
Internationaler Tag gegen Homophobie
- Dem heutigen Gedenktag für Opfer homo- und transphober Gewalt widmen sich in Berlin mehrere Veranstaltungen:
- Die diesjährige Aktion »protect every kiss« findet statt um 12.30 Uhr, gegenüber der Botschaft der Republik Uganda, Axel-Springer-Str. 54a, 10117 Berlin.
- Die Arbeitsgruppe »Queer in Treptow-Köpenick« veranstaltet einen Empfang zum Internationalen Tag gegen Homophobie, 11 Uhr, im Rathaus Treptow (Neue Krugallee, 12435 Berlin).
- Kick-off der Initiative »Berlin tritt ein für Selbstbestimmung und Akzeptanz sexueller Vielfalt«, 14 Uhr bis 17 Uhr, Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales, Oranienstr. 106, Raum 1123-24
- Podiumsdiskussion: »Wie weiter mit dem Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen?«, 20 Uhr, im Ort der Information, Denkmal für die ermordeten Juden Europas, Cora-Berliner-Straße 1, 10117 Berlin
Quelle: Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg
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