Rothemden ignorierten Ultimatum

Thailand droht Bürgerkrieg / Fronten verhärtet / Abtrünniger General verstorben

  • Mark Teufel
  • Lesedauer: 3 Min.
Bürgerkriegsähnliche Zustände in Bangkok: Soldaten gegen Rothemden, brennende Autoreifen, Steinschleudern, Feuerwerkskörper und Brandflaschen gegen Scharfschützen. Beobachter schätzen die Zahl der seit Beginn des Konflikts im März Getöteten bereits auf rund 70.

In rascher Folge tauchen Fotos erschossener Zivilisten im Internet auf, die meisten durch Kopfschüsse von Scharfschützen ermordet. Die Regierung unter Premierminister Abhisit Vejjajiva behauptet indes allen Ernstes, die Demonstranten erschössen sich gegenseitig. Allein in den drei Tagen bis zum Montagabend starben mindestens 37 Menschen. Rettungskräfte meldeten am Montag, darunter sei auch ein Soldat gewesen. Nachdem die Regierung ihren Truppen erlaubt hatte, »zur Selbstverteidigung« auf die Demonstranten zu schießen, bewaffnen sich immer mehr wütende Rothemden mit allem, was als Waffe benutzt werden kann. So steht zu befürchten, dass sich die Auseinandersetzung in einen Flächenbrand oder gar in einen Bürgerkrieg ausweitet.

Der Montag begann mit der Nachricht, dass Khattiya Sawasdipol, auch Seh Daeng genannt, ein abtrünniger Armeegeneral, seinen schweren Verletzungen erlegen sei. Der 58-Jährige, der die Rothemden bei der Verteidigung ihrer Barrikaden beraten hatte und sich wohl auch als ihr »Militärchef« aufführte, war am Donnerstag während eines Interviews mit ausländischen Journalisten vom Kopfschuss eines Scharfschützen niedergestreckt worden. Er wurde im Krankenhaus operiert, erwachte jedoch nicht mehr aus dem Koma. Rund 1000 Menschen nahmen am Montag an der Beerdigung des Generals im historischen Teil Bangkoks teil.

Am Nachmittag um 15 Uhr Ortszeit lief ein Ultimatum der Regierung ab. Bis dahin sollten die Oppositionellen ihr Protestlager an der Ratchaprasong-Straße im Bangkoker Geschäftsviertel verlassen, das seit Donnerstag von rund 35 000 Soldaten mit schweren Waffen abgeriegelt wird. Auf Flugblättern wurden die Besetzer, die ihr Lager zur »befreiten Zone« erklärt haben, zur Kapitulation aufgefordert, ansonsten drohe ihnen Haft bis zu zwei Jahren. Nach Ablauf des Ultimatums sollte das Gebiet nach Angaben eines Regierungssprechers »so bald wie möglich geräumt« werden. Doch 5- bis 6000 Rothemden harrten unbeirrt aus. Überdies leben in dem Geschäftsviertel noch mehr als 30 000 Menschen. Zunächst blieb es denn auch ruhig. Premierminister Abhisit hatte Montag und Dienstag zu Urlaubstagen erklärt, eine Woche lang sollen rund 400 Schulen geschlossen bleiben.

Die Vereinigte Front für Demokratie und gegen Diktatur (UDD), das Bündnis der Rothemden, betrachtet die Regierung Abhisit als unrechtmäßig, weil sie sich im Gefolge des Militärputsches im September 2006 durch Kungelei mit Militärspitze, Royalisten, Justiz und alter Elite an die Macht manövriert hat. Die UDD als Vertretung der Kleinverdiener – Bauern, Arbeiter, Angestellte – fordert deshalb schnellstmöglich Neuwahlen. Berichtet wird zwar, ihre Führung sei inzwischen zerstritten, doch haben sich bisher nur zwei oder drei der fast 30 Anführer von der Organisation getrennt. Die anderen erwarten den Sturm der Soldaten, darunter der Abgeordnete Jatuporn Prompan, der Demokratieaktivist Dr. Weng Tojirakarn und Natthawut Saikua, der talentierte Hauptredner der Rothemden, mit denen selbst viele der Soldaten sympathisieren.

Ein Kompromiss zwischen der UDD und der Regierung war zuletzt daran gescheitert, dass Abhisit zwar Neuwahlen für November versprochen, doch die Forderung nach einer unabhängigen Untersuchung des Armeeangriffs am 10. April abgelehnt hatte. Damals waren 28 Menschen ums Leben gekommen.

Auch die Forderung nach internationaler Vermittlung in dem Konflikt lehnt die Regierung ab. Stattdessen begann sie, die Anführer der Demonstranten als Terroristen und – was in Thailand noch schwerer wiegt – als Teil eines Netzwerkes zu bezeichnen, das die Monarchie abschaffen wolle.

Sowohl der Militärputsch 2006, durch den der damalige Premier Thaksin Shinawatra gestürzt wurde, als auch die Besetzung der Bangkoker Flughäfen durch die »Gelbhemden« der monarchistischen Volksallianz für Demokratie (PAD) im Jahre 2008 waren als Aktionen »zum Schutz des Königs« deklariert worden. Und die Regierung Abhisit hatte nach der Übernahme der Macht erklärt, ihr wichtigstes Ziel sei die Erhaltung der Monarchie. Der nach 63-jähriger Regentschaft altersschwache und kranke König Bhumibol schweigt indes. Viele Beobachter glauben, er müsse fürchten, dass sein Wort ohnehin kein Gewicht mehr hätte. Die Monarchie sei mangels demokratischer Institutionen und Mechanismen zur Konfliktlösung längst selbst zum Teil des Problems geworden.

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