Fest der Kulturen
Dem Verein El Patio geht es beim Karneval um Politik
Spätrömische Dekadenz und Steuerparadiese – so lautet das diesjährige Motto des Vereins El Patio (spanisch für der Innenhof) beim Karneval der Kulturen. Mit der Startnummer sechs nehmen die ehrenamtlichen Mitglieder von El Patio am Pfingstsonntag am Straßenumzug teil – wahrscheinlich zum letzten Mal. »Der Senat für Integration hat bisher unsere Miete von 9000 Euro im Jahr übernommen. Jetzt wird uns aber der Geldhahn zugedreht, und wir können uns die Räumlichkeiten nicht mehr leisten«, erklärt Felipe Orobon am Mittwochabend, während er noch an der Palme des Steuerparadieses herumwerkelt. Noch bestehe allerdings Hoffnung, andere Geldgeber aufzutreiben.
Der soziokulturelle Verein bietet Rechts-, Sozial-, Gesundheits- und psychologische Beratung für spanisch und portugiesischsprachige Migranten an. Spanisches Theater, Salsa-, Musik- und Kochabende machen außerdem das kulturelle Angebot von El Patio aus. Gegründet wurde der »Innenhof« bereits 1986 mit dem Ziel, eine Begegnungsstätte für Spanier, Südamerikaner und Deutsche zu werden. Vielleicht auch, um ein Stück Heimat in der Fremde zu finden. Heute ist das Angebot vielfältiger. »Oft kommen Flüchtlingsfamilien, die keine Unterkunft haben. Ihnen geben wir ein Dach über den Kopf und Informationen, wo sie längerfristige Hilfe bekommen«, so der 53-jährige Orobon. Rund 500 Menschen machen jährlich von den Beratungsangeboten Gebrauch. Aber auch das einzige spanische Puppentheater Berlins wird hier aufgeführt.
Ein Gefühl von südländischer Gastfreundschaft und Gelassenheit kommt bei El Patio schnell auf, so auch am Mittwochabend. »Hola«, schallt es aus allen Ecken, sobald jemand das Büro im Stadtteil Moabit betritt. Rotwein und Oliven stehen auf dem Tisch, Musik tönt aus der Anlage, übertönt vom Bohren und Hämmern an der Karnevalskulisse. Auch die Kostüme sind noch nicht fertig, aber stressen lässt sich hier niemand, schließlich sind es bis Sonntag noch ein paar Tage. »Die Palme wird noch angemalt, dann hängen wir CDs an die Zweige. Sie symbolisieren den Datenhandel«, sagt Orobon. Die Vereinsmitglieder werden sich in Tuniken hüllen. Wer den Eselskopf, der Westerwelle verkörpern soll, aufsetzen wird, muss noch zwischen den rund 50 Mitgliedern ausgehandelt werden.
Für El Patio – Karnevalspreisträger 2007 – sind Politik und Karneval unzertrennlich. Letztes Jahr ging es um Armut im Rentenalter, davor um Bootsflüchtlinge vor den Küsten Spaniens. Besonders kreativ zeigte sich der »Innenhof« 2004 beim Thema Guantanamo: »Wir haben eine Düsenjet-Attrappe gebaut, die Guantanamo Airline, wo Stewardessen die Passagiere gefoltert haben. Dazu haben wir One-Way-Tickets in die Karibik verteilt«, erinnert sich Orobon und lacht. Leider werde ihre Message nur von wenigen Besuchern verstanden, die Mehrzahl möchte einfach feiern.
Feiern kann man ab heute. Das Straßenfest beginnt um 16 Uhr und geht bis einschließlich Montag. Am Sonntag kann man ab 12.30 Uhr unter anderem die bis dahin fertig gewordene Palme von El Patio bestaunen.
www.elpatio-berlin.de
Informationen zur Route und zum Programm unter www.karneval-berlin.de
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