Am Anfang war es nur ein Spaß

Mit gefälschten Zahnarztrechnungen über 600 000 Euro ergaunert

  • Lesedauer: 3 Min.
Peter Kirschey berichtet aus Berliner Gerichtssälen
Peter Kirschey berichtet aus Berliner Gerichtssälen

Die Michaela (40) weiß es und Marlies (58) weiß es auch. Bernd (61), der dritte Angeklagte, ist eher eine Randfigur. Eines musste ihnen klar sein: Irgendwann einmal würde der Schwindel auffliegen. Doch sie haben immer weiter gemacht. Augen zu, getrieben von der Gier nach Mammon. Der Geldsegen, der da Jahr für Jahr floss, war zu verlockend, um wieder aufzuhören. Die sprudelnde Einnahmequelle schnürte das Gehirn zu. Doch im September 2008 war die Bombe dann geplatzt. Michaela und Marlies wanderten in den Bau, seit gestern stehen sie wegen gewerbsmäßigen Betrugs, Untreue und Bestechlichkeit vor Gericht.

Der Trick, mit dem sich die beiden Frauen in fünf Jahren um 601 009 Euro bereicherten, war simpel und raffiniert zugleich. Dazu musste die eine in der richtigen Behörde tätig sein, die andere Zugang zu Arztrechnungen haben. Und eine dritte Person war erforderlich, die im öffentlichen Dienst arbeitete und mit ihrem Namen herhalten musste. Michaela kannte Marlies aus der Nachbarschaft, so manch gemeinsamer Grillabend mit Bier und Likör beflügelte die Fantasie.

Am Anfang war es nur eine Spinnerei im Alkoholdunst, eine richtige Schnapsidee. Doch die Idee ließ sie nicht mehr los, bis sie es einfach einmal ausprobierten. Michaela, die Zahnarzthelferin, hatte Zugang zum Computerprogramm zur Erstellung von Rechnungen für Zahnbehandlungen. Und Marlies saß in der richtigen Behörde, in der so genannten Beihilfestelle des Berliner Landesverwaltungsamtes. Die Beihilfestelle ist unter anderem dafür zuständig, bei den Landesbediensteten 70 Prozent der Arztkosten zu übernehmen und auszuzahlen. Jetzt benötigten sie nur noch den Namen eines Bezugsberechtigten. Und den fanden sie im Gatten von Michaela. Der arbeitete als Wachtmeister beim Amtsgericht Neukölln und war somit berechtigt.

Michaela schrieb fingierte Rechnungen, fälschte die Unterschrift ihres Mannes, Marlies vom Amt genehmigte alles und zahlte aus. Es war ganz einfach. Die beiden Frauen waren selbst erstaunt, wie schnell das Geld auf dem Konto von Michaela landete. Die Hälfte der Beute überwies sie an Marlies.

Insgesamt 145 Mal stellte Michaela nicht erfolgte Zahnarztleistungen zwischen 900 und 9000 Euro in Rechnung und Marlies genehmigte. Als die Summen immer größer wurden, der Rechnungstakt immer kürzer wurde, flog die Betrügerei auf. Eine Kollegin von Marlies wurde misstrauisch und meldete ihre Beobachtungen. Mit einer Rechnung von 6500 Euro »nur aus Spaß« begann alles, zuletzt waren es vier Rechnungen im Monat mit insgesamt 36 000 Euro. Die beiden Frauen haben nicht im Luxus gebadet, sich keine extravaganten Hobbys geleistet. Fakt ist: Das Geld ist futsch. Beide wollen den Schaden wieder gutmachen. Doch ihre Taschen sind leer. Ob der Wachtmeister-Ehemann von den Betrügereien etwas wusste, ist noch nicht aufgeklärt. Der Mann bestreitet ein Mitwissen. Die Frau habe sich um alle finanziellen Angelegenheiten gekümmert, beteuerte er. Doch wie blauäugig muss man sein, um nicht zu bemerken, wenn immer wieder Tausende in die Familienkasse gespült wurden? Gegen ihn wird weiter ermittelt.

Auch Bernd, der dritte Angeklagte, hat nichts gewusst und nichts geahnt. Er ist der Ehemann von Marlies und übernahm einen Teil des gemeinsamen Immobilienbesitzes als Schenkung, um es so vor der Pfändung zu bewahren. Er hat nie nachgefragt, nie aufgemuckt, für Finanzen war immer die Frau zuständig, sagt er. Die Rolle des Familientrottels beherrscht er perfekt.

Es bleibt die Frage, wie es möglich ist, dass die Betrügereien über Jahre unentdeckt blieben. Die Beihilfestelle des Landesverwaltungsamtes untersteht der Senatsinnenverwaltung. Dort klagt man seit Jahren über Personalmangel. Das Amt ist nach Aussagen der Gewerkschaft der Polizei völlig überlastet, der Krankenstand höher als in anderen Behörden. Reicht das aus, um den Fall zu entschuldigen?

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